Die Wälder von Albion
nach wäre es das beste, sie in römischen Familien aufwachsen zu lassen. Wenn sie erwachsen sind, werden wir für sie gute, ehrenwerte Männer finden, die Rom die Treue halten.«
»Und mehr würde ihnen nicht geschehen, wenn sie sich in römischer Obhut befänden?«
»Mehr nicht«, erwiderte Macellius mit Nachdruck. » Domina , du kannst uns bestimmt nicht nachsagen, daß wir Krieg gegen Säuglinge und kleine Kinder führen… «
Eilan schwieg.
Du irrst, Römer! Genau das habt ihr in der Vergangenheit oft genug getan, wenn es um Herrschaftsansprüche ging.
Er schien ihre Gedanken zu erraten und schüttelte den Kopf.
»Möchtest du, daß wir immer für Freveltaten bezahlen sollen, die andere begangen haben? Auch ich weiß um die Fehler der Vergangenheit… zum Beispiel auf der heiligen Insel Mona.«
Cynric und die Raben werden euch das nie vergeben. Aber in diesem Fall liegt die Entscheidung bei mir. Die Göttin muß mir sagen, was ich tun soll.
Eilan schwieg und suchte in der inneren Stille die Antwort.
»Ich möchte das gerade nicht«, sagte sie dann langsam, »aber ich würde das Vertrauen meines Volks verlieren, wenn ich dir zu bereitwillig glaube. Auch du weißt, daß Brigittas Töchter noch zu jung sind, um verheiratet zu werden. Außerdem haben die Kinder viel durchmachen müssen und sind verängstigt. Es ist bestimmt besser und menschenwürdiger, sie dort zu lassen, wo sie jetzt sind.«
Ihre Worte klangen klar und wurden von innerer Kraft getragen. Macellius wagte nicht, ihr zu widersprechen. Eilan holte tief Luft und fügte hinzu: »Aber in ein paar Monaten oder einem Jahr, wenn sich die Aufregung gelegt hat, sieht alles vielleicht anders aus. Dann wird jedermann wissen, wie ihr die Mutter behandelt. Wenn alles so ist, wie du sagst, werden sich die Gemüter beruhigt haben, und kaum jemand wird sich empören, wenn bekannt wird, daß euch auch die Kinder übergeben worden sind.«
»Aber wird man sie uns dann geben?« fragte Macellius.
»Wenn alles eintrifft, wie du es versprichst, dann schwöre ich bei der Göttin, daß man sie euch übergibt… «
Eilan legte feierlich die Hand an den Torque.
»Am Fest der Jungfrauen im nächsten Jahr werden wir sie in dein Haus in Deva bringen.«
Er wirkte erleichtert, und Eilan sah verblüfft in seinem Gesicht ein Lächeln, das sie von Gaius kannte.
Könnte ich ihr doch nur sagen, wie sehr ich sie bewundere, weil sie mir einen Enkelsohn geschenkt hat. Wenn ich ihn doch nur einmal sehen könnte…
»Ja, ich vertraue dir«, sagte Macellius nachdenklich. »Ich kann nur hoffen, daß der Legat auch mir vertraut… «
»Vernemeton steht als Unterpfand für meine Ehrlichkeit.« Sie deutete auf ihre Umgebung. »Wenn ich wortbrüchig werde, dann sind wir jederzeit in eurer Hand.«
» Domina , ich möchte dir die Hand küssen, aber dein Leibwächter könnte das falsch verstehen.«
»Du mußt mir nicht die Hand küssen«, sagte sie lächelnd, »aber ich freue mich über deinen guten Willen.«
»Ich danke dir«, sagte Macellius und verneigte sich vor ihr.
Als er gegangen war, blieb Eilan stumm sitzen. Sie überlegte, ob sie ihr Volk verraten oder gerettet hatte. War es ihre Aufgabe als Hohepriesterin der Göttin, zwischen den verfeindeten Völkern zu vermitteln? War das ihre Mission auf dieser Erde?
Als Caillean aus dem Sommerland zurückkehrte, wirkte sie erschöpft, aber innerlich war sie hochgestimmt. Als sie sich erfrischt und etwas ausgeruht hatte, ließ Eilan sie durch Senara zum Abendessen zu sich bitten.
»Wie groß sie geworden ist!« sagte Caillean, als Senara in die Küche ging, um die Mahlzeit zu bringen. »Mir kommt es vor, als sei sie erst gestern zu uns gekommen, und jetzt ist sie im selben Alter, in dem du warst, als ich dir zum ersten Mal begegnet bin.« Sie lächelte. »Senara ist beinahe genauso schön wie du!«
Eilan mußte sich eingestehen, daß Senara in der Tat bereits eine junge Frau und alt genug für das Gelübde war. In naher Zukunft würde sie zur Priesterin geweiht werden können.
Ihre römischen Verwandten hatten seit Jahren nichts mehr von sich hören lassen, und es gab keinen Grund zu der Annahme, sie hätten dagegen etwas einzuwenden. Eilan seufzte und dachte, wenigstens diese Sache habe keine Eile.
»Was hast du an diesem schönen Tag gemacht, mein Kind?« fragte Caillean, als Senara zurückkehrte.
Senara schlug die Augen nieder und erwiderte leise: »Ich bin zu der Hütte im Wald gewandert. Wußtet ihr, daß dort ein
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