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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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der Dunkelheit hörte er jetzt deutlich helle Flötentöne, und Eilan wurde still. Die Menschen auf dem Platz verstummten. Man hörte nur noch das Knistern der Feuer. Das Holz war inzwischen weit heruntergebrannt. Die rote Glut verbreitete einen sanften Lichtschein, den der volle Mond in ein kühles blasses Gold verwandelte - ein geheimnisvolles Leuchten, wie Gaius es noch nie gesehen hatte.
    Eine Lichterkette näherte sich. Druiden mit langen Bärten und in weißen Gewändern tauchten aus dem Dunkel auf. Sie trugen Kränze aus Eichenlaub auf dem Kopf und schimmernde Torques um den Hals. Sie umschritten die Feuer von Osten nach Westen, wobei sie immer wieder stehenblieben und warteten. Die Abstände zwischen ihnen waren so gleichmäßig wie die der Wachposten um ein Lager, aber Gaius fand, ihre Bewegungen hatten nichts von der militärischen Präzision, die ihm eingedrillt worden war. Die Priester bewegten sich völlig natürlich und im Einklang miteinander wie die Sterne am Himmel.
    Silberglocken läuteten plötzlich hell und klar. Die allgemeine Spannung stieg. Gaius strengte sich an, etwas zu sehen, aber er ahnte mehr, was vorging, als daß er es sah. Ein großer Schatten näherte sich ihnen, und plötzlich erkannte er Frauengestalten in langen mitternachtsblauen Gewändern. Sie schienen schwerelos in den Kreis zu fluten und ihn zu umschreiten; nur der schimmernde Schmuck der Priesterinnen klirrte leise. Ihre Gesichter wirkten hinter den Schleiern übernatürlich und körperlos.
    Plötzlich begriff er: Es waren die heiligen Frauen von Vernemeton. Er fragte sich, ob auch Priesterinnen darunter waren, die die Schändung von Mona überlebt hatten?
    Der Anblick so vieler Druiden bereitete ihm Unbehagen, doch die schattenhaften Gestalten der Priesterinnen lösten ein namenloses Entsetzen bei ihm aus und das Gefühl, seinem Schicksal zu begegnen. Beklommen fragte er sich, ob sein Geschick auf geheimnisvolle Weise mit dem der Priesterinnen von Vernemeton verbunden war? Ein eiskalter Schauer überlief ihn, und er drückte Eilans Hand fester.
    Die drei Priesterinnen, die den Abschluß der Prozession bildeten, wurden in einer offenen Sänfte getragen, die auf dem Erdhügel zwischen den Feuern abgestellt wurde. Die Frau in der Mitte wirkte zart und schien unter der Last ihres Gewandes etwas gebeugt. Flankiert wurde sie von einer großen und einer etwas gedrungenen Priesterin. Sie waren beide nicht verschleiert, und Gaius sah die blauen, tätowierten Halbmonde zwischen ihren Brauen. Sein erster Gedanke war, daß die große Frau im Kampf eine ernstzunehmende Gegnerin sein würde. Im Blick der anderen glaubte er eine gewisse Unzufriedenheit zu erkennen.
    Die drei Frauen blieben sitzen, und es folgte ein Ritual mit einem goldenen Becken, das er nicht verstand. Dann halfen die beiden Begleiterinnen der Hohenpriesterin auf einen hohen Sitz vor der Sänfte. Das Läuten der silberhellen Glocken schwoll an, erreichte einen Höhepunkt, dann wurde es schlagartig still.
    »Kinder des Don, warum seid ihr gekommen?« rief die große Frau.
    »Wir flehen um den Segen der Göttin«, antwortete einer der Druiden.
    »Dann ruft SIE… «
    Zwei Priesterinnen warfen Kräuter in die Glut. Gaius drang der süß duftende Rauch in die Nase, der aufstieg und schnell wie eine schimmernde Wolke über den Platz wirbelte. Gaius kannte Weihrauch, aber diese Kräuter wirkten betäubend und machten ihm das Atmen schwer. Er blickte unsicher zum Himmel hinauf. Über ihm leuchtete still und klar der Mond.
    Dann hörte er das Flüstern und Murmeln vieler Stimmen. Es klang wie eine Beschwörung und wie ein Flehen, über das sich der eintönige Gesang der Druiden erhob. Gaius glaubte, die Erde unter seinen Füßen schwanke, und er hatte Angst. Schweiß trat ihm auf die Stirn. Verstört sah er Eilan an. Sie stand verzückt neben ihm und blickte wie in Trance auf die drei Priesterinnen hoch über dem Feuer.
    Die verschleierte Hohepriesterin begann plötzlich leise zu seufzen und zu schwanken.
    Sie ist wie die Sibylle, dachte Gaius, oder wie die Pythia in Delphi, von der mir mein Lehrer erzählt hat.
    Er hätte nie geglaubt, einmal so etwas mit eigenen Augen zu sehen. Das Flüstern und die Gesänge wurden lauter und drängender. Die Hohepriesterin richtete sich auf, die beiden anderen Frauen wichen zurück.
    Gaius hielt den Atem an, denn die Frau schien plötzlich sehr viel größer zu sein.
    Mit hoch erhobenem Haupt blickte sie sich um. Dann lachte sie leise und

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