Die Wälder von Albion
lassen. Außerdem hatte er ohnehin nur einige Worte aufgenommen und las in aller Ruhe die vor ihm liegende Lieferliste. Es wäre unhöflich gewesen, einen Bittsteller abzuweisen, nur weil sich Macellius mit den Vorräten des Lagers beschäftigen wollte. Es kostete nichts, den Mann reden zu lassen, während er las. Außerdem hatte er genug gehört, um zu wissen, daß Lucius Varullus in endlosen Abwandlungen nur über eine Sache sprach.
»Es ist doch bestimmt nicht dein Wunsch, Macellius, daß ich zum Legaten gehe«, quäkte er ungehalten mit hoher Stimme. Macellius rollte das Pergament zusammen und legte die Liste beiseite. Er fand, er habe dem Mann lange genug zugehört.
»Es steht dir natürlich frei, das zu tun«, erklärte er liebenswürdig, »aber ich bezweifle, daß er dir soviel Zeit einräumt wie ich, wenn er überhaupt Zeit für dich hat.« Er kannte den Befehlshaber gut genug, um das sagen zu können. »Denk daran, daß wir in unruhigen Zeiten leben, und jedem wird ein gewisses Opfer abverlangt… «
Der Mann schob die dicke Unterlippe vor, wischte sich mit einem goldgelben Seidentuch den Schweiß von der Stirn. »Aber natürlich weiß ich das!«
Mit übertriebener Leidensmiene schob er das Tuch in die Falten der Toga und fügte mit einem tiefen Seufzer hinzu: »Mein Freund, niemand, absolut niemand ist mehr bereit, das einzusehen, als ich. Aber wie soll ich meine Ländereien und meine Gärten bestellen, wenn alle Männer in der Gegend zur Zwangsarbeit ausgehoben werden? Man sollte doch denken, daß bei allen Entscheidungen in erster Linie der Frieden und das Wohlergehen der römischen Bürger bedacht wird! Stell dir nur vor, ich habe meine Gärtner zur Arbeit auf die Rübenfelder schicken müssen! Du solltest dir nur meine Blumenrabatten ansehen… «, schloß er vorwurfsvoll.
»Aber, aber… «, sagte Macellius verbindlich und fügte nicht ganz wahrheitsgemäß hinzu, »ich bin schließlich nicht für die Aushebung von Zwangsarbeitern verantwortlich.«
Außerdem ist es mir völlig gleichgültig, wie deine Blumen aussehen, hätte er am liebsten noch gesagt, aber statt dessen verfluchte er insgeheim den Kaiser, der solche Schmarotzer zu römischen Bürgern gemacht hatte.
»Tut mir leid, Lucius«, sagte er dann - er wußte, daß er log, denn es tat ihm keineswegs leid -, »ich kann im Augenblick nichts für dich tun.«
»Aber Macellius, mein Freund, du mußt einfach… «
»Hör zu«, erklärte Macellius knapp, »du verschwendest deine Zeit. Geh zum Legaten, wenn du willst, und hör dir an, was er zu sagen hat. Aber ich bezweifle, daß er so geduldig ist wie ich. Laß Sklaven aus Gallien kommen oder zahle mehr Lohn.«
Oder, fügte er stumm hinzu, greif selbst zur Hacke und arbeite etwas Speck von deinem Bauch ab.
»Es hilft dir wenig, wenn du dich bei mir beklagst, Lucius, und jetzt bitte ich um dein Verständnis. Ich habe heute sehr viel zu tun.«
Sein Blick fiel wieder auf die Pergamentrolle, und er hüstelte.
Varullus wollte sich nicht mit dieser Antwort zufriedengeben, aber Macellius hatte sich bereits seinem Sekretär zugewandt, einem mageren, mißmutig blickenden jungen Mann, und fragte: »Wer ist der nächste, Valerius?«
Varullus blieb nichts anderes übrig, als zu gehen. Der Sekretär führte einen Viehhändler herein, der Rinder an das römische Militär verkauft hatte. Mit der Mütze in der Hand bat er den hohen Herrn um Entschuldigung dafür, daß er ihn belästige. Er sprach im stockenden Markt-Latein und erklärte, daß gefährliche Räuber die Straßen unsicher machten…
Macellius unterbrach den Mann in fließendem Silurisch: »Also, heraus mit der Sprache? Wo drückt der Schuh?«
Der Silurer erzählte seine Geschichte. Er hatte den Auftrag erhalten, seine Rinder durch das Land zur Küste zu treiben. Aber auf den Straßen waren Diebe und Räuber. Die Rinder gehörten jedoch bereits dem Militär, und er als armer Mann würde den Verlust nicht ersetzen können, wenn er unterwegs die Herde an die Banden verlor…
Macellius hob die Hand. »Gut«, sagte er nicht unfreundlich, »du möchtest natürlich eine Militäreskorte. Ich werde dir ein Schreiben für einen Centurio mitgeben. Valerius, du nimmst dich der Sache sofort an«, sagte er mit einem kurzen Kopfnicken zu seinem Sekretär. »Teile Paulus Appius mit, daß er die Rinder sicher zur Küste eskortieren läßt… Schon gut, du mußt dich nicht entschuldigen, denn dafür bin ich ja da.«
Als der Viehhändler gegangen war,
Weitere Kostenlose Bücher