Die Wälder von Albion
lächelte sie an. »Das ist bestimmt wahr, denn ich kann mir nicht vorstellen, daß ich auch nur die Hälfte von dem, was ich heute nacht hier gehört habe, in der Halle meines Vaters aussprechen würde.«
»Die Druiden werden es nicht wagen zuzulassen, daß ich mit der Stimme der Göttin spreche. Sie würden sich vor meinen Worten fürchten müssen!« Caillean lachte plötzlich. »Weißt du, sie wollen eine Frau, die ihnen treu ergeben ist. Ich dachte zuerst, sie hätten sich für Dieda entschieden. Aber ich habe gehört, was Ardanos sagte, als man beschloß, Dieda als Sängerin auszubilden. Der höchste Druide Britanniens hat allen Ernstes erklärt, Lhiannon habe die Falsche gewählt. Ich glaube, ursprünglich wollten sie dich!«
»Das hast du bereits gesagt, aber ich weiß, daß mein Vater mich verheiraten will… «
»Wirklich?« Caillean hob die Augenbrauen. »Vielleicht irre ich mich. Ich weiß mit Sicherheit nur, daß der Sohn des Präfekten des Lagers von Deva um deine Hand angehalten hat.«
»Mein Vater war so wütend… « Eilan wurde rot, als sie an seine Worte dachte. »Zum Schluß hat er gesagt, er werde Senara verheiraten, bevor sie ihm ähnlichen Ärger verursachen kann. Aber ich glaube, er sucht einen Mann für mich. Jedenfalls hat er nichts davon erwähnt, daß er daran denkt, mich nach Vernemeton zu schicken.« Sie ließ den Kopf sinken und murmelte: »Wenn ich Gaius nicht heiraten darf… . dann ist mir ohnehin alles egal.«
Caillean musterte sie nachdenklich. »Ich hatte nie den Wunsch zu heiraten. Ich bin schon als Kind der Göttin versprochen worden. Aber vielleicht liegt das an dem schrecklichen Erlebnis in meiner Kindheit. Wenn ich im Heiligtum unglücklich gewesen wäre, hätte mich Lhiannon bestimmt einem Mann in die Ehe gegeben. Sie wollte mich immer nur glücklich machen. Ich liebe sie. Lhiannon ist für mich mehr als eine Mutter.«
Caillean schwieg und sagte nach einer Weile zögernd: »Es ärgert mich zwar, Ardanos in die Hände zu spielen, aber vielleicht steht ja auch die Göttin hinter allem.« Dann blickte sie Eilan an und fragte: »Möchtest du mit mir nach Vernemeton kommen, wenn ich dorthin zurückkehre?«
»Ich glaube schon«, antwortete Eilan, ohne lange nachzudenken, und ihre Augen, die so schnell den Ausdruck ändern konnten, strahlten etwas heller, obwohl der Schmerz nicht völlig aus ihnen gewichen war.
»Ja, ich denke, das wäre mir das Liebste. Ich hatte nie daran geglaubt, daß man eine Heirat zwischen Gaius und mir zulassen würde. Schon bevor ich ihn kennenlernte, habe ich oft davon geträumt, eine Priesterin zu sein. Auf diese Weise werde ich ein ehrenvolles Leben führen und viele wichtige Dinge lernen… «
»Ich glaube, dem steht nichts im Weg«, sagte Caillean trocken. »Bendeigid wird sicher froh sein und Ardanos ebenfalls. Aber Lhiannon muß auch zustimmen. Soll ich mit ihr sprechen?«
Eilan nickte errötend, und diesmal nahm die Priesterin ihre Hand und drückte sie. Bei der Berührung stellte sich die vertraute Benommenheit ein. Cailleans inneres Auge öffnete sich. Sie sah Eilan älter und noch sehr viel schöner vor sich. Sie war in die Schleier des Orakels gehüllt.
Schwestern, und mehr als Schwestern…
Die Worte hallten wie ein Echo in ihren Ohren.
»Hab keine Angst, mein Kind. Ich glaube, es ist der… « Sie schwieg und sagte dann mit großer innerer Überzeugung: »Es ist der Wille des Schicksals, daß du zu uns kommst.« Plötzlich fühlte sie sich ungeheuer erleichtert. »Ich muß dir wohl kaum sagen, daß ich mich sehr freue, wenn du nach Vernemeton kommst.«
Sie seufzte, denn die visionäre Kraft verebbte, und wie eine Antwort hörte sie draußen eine Lerche singen, die den neuen Tag begrüßte.
»Der Morgen bricht an«, sagte Caillean müde und bewegte mühsam die steifen Glieder. Sie stand auf und ging langsam zur Tür. »Wir haben die ganze Nacht geredet. Seit meiner Kindheit habe ich das nicht mehr getan.« Sie öffnete die Tür, und die ersten Sonnenstrahlen fielen in den Raum. »Sieh nur, wenigstens hat es aufgehört zu regnen. Komm mit, wir müssen nachsehen, ob der Stall noch steht… Die Horde konnte ihn bei diesem Regen wohl kaum anzünden. Falls sie uns ein paar Kühe gelassen haben, dann müssen wir sie melken.«
Der Ritt durch das überflutete Land dauerte Tage. Gaius führte seinen dakischen Trupp an. Ihr Decurion war krank geworden, und er hatte ihn durch Priscus, ihren Optio, ersetzen müssen. Die Männer fluchten
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