Die Wälder von Albion
neugierigen Blicken und dem Gemurmel der Menschen zum Zelt.
Hoffentlich stirbt das Kind nicht in meinen Armen. Wenn sie feststellen, daß ich Römer bin, werden sie mich umbringen.
»Hier entlang«, hörte er die klare, ruhige Stimme der Priesterin.
Der starke Geruch von Kräutern stieg ihm in die Nase, als er durch den Zelteingang trat und die Klappe sich hinter ihm schloß.
Im ersten Augenblick konnte er in dem schwachen Licht kaum etwas erkennen. Er kniete nieder und legte das Kind auf eine Pritsche, die in der Mitte des Zeltes stand. Er starrte auf das weiße Laken der Pritsche und auf das totenbleiche Gesicht des Mädchens.
Das Kind ist bestimmt tot.
Als Gaius sich beklommen aufrichtete, hörte er hinter sich einen leisen Aufschrei. Sein Herz schlug plötzlich bis zum Hals. Er hielt den Atem an und drehte sich langsam um.
Eine Priesterin im dunkelblauen Gewand und eine junge, hell gekleidete Frau beugten sich bereits über das verletzte Mädchen, aber eine dritte stand wie erstarrt an der dunklen Zeltwand.
Kein Zweifel, es war Eilan, die ihn mit großen Augen anblickte. Die Welt um ihn herum schien zu versinken.
Aber du bist doch tot… du bist in den Flammen umgekommen!
Er sah Eilans klare graue Augen auf sich gerichtet und glaubte, ihren Atem auf seiner Haut zu spüren.
»Bist du es wirklich?« flüsterte Gaius und trat zu ihr. »Ich habe euer Haus gesehen, nachdem die Plünderer dort gewesen waren… Hast du es wirklich überlebt?«
Eilan warf einen schnellen Blick auf die anderen Frauen im Zelt. Aber Gwenna war mit dem Mädchen beschäftigt, und Dieda mußte die aufgeregte Mutter beruhigen, die aus Angst um das Leben ihrer Tochter anfing, laut zu schluchzen.
»Ich war im Haus meiner älteren Schwester, die ihr Kind bekam«, erwiderte sie leise. »Aber Mutter und die kleine Senara… « Ihre Stimme versagte. »Sie sind beide tot.« Eilan senkte den Kopf.
»Ich dachte, du wärst unter der Asche begraben«, stieß er heiser hervor. In dem hellen Gewand wirkte sie im dämmrigen Zelt so unwirklich wie ein Geist. Er streckte die Hand aus, um sie zu berühren. Er konnte immer noch nicht glauben, daß sie lebte, gesund war und so dicht vor ihm stand. Seine Finger streiften das kühle Leinen. Eilan zuckte zusammen und wich schnell zur Seite.
»Wir können hier nicht miteinander reden«, flüsterte sie erschrocken, »auch wenn du nicht als Offizier hier bist.«
»Eilan, wann kann ich dich wiedersehen?«
»Niemals. Das ist unmöglich«, erwiderte sie. »Ich bin eine Priesterin von Vernemeton und darf nicht… «
»Du darfst nicht mit einem Mann sprechen?«
Sie ist eine Vestalin geworden! Die Frau, die ich liebe, ist mir so entrückt, als sei sie eine Vestalin.
Aber sie lebte! Er konnte sich nicht umdrehen und sie einfach wieder verlassen. Jetzt nicht mehr, denn alles in ihm sehnte sich nach ihr. Für ihn war nur das eine wichtig: Er liebte diese Frau und er würde sie immer lieben. Er fühlte sich ihr so nahe, als sei seit dem Beltane damals keine Zeit vergangen.
»Ganz so streng sind unsere Regeln nicht… «, erwiderte Eilan und lächelte schwach. »Aber du bist Römer, und du weißt, wie mein Vater darüber denkt, daß ich… «
»Ja, ich weiß es.« Er nickte und mußte auch an seinen Vater denken.
Weiß Macellius, daß Eilan nicht mit den anderen ums Leben gekommen ist? Hat er mich trauern lassen, obwohl kein Grund dazu bestand?
Eilan hatte natürlich recht. Er sollte auf der Stelle das Zelt verlassen, in der Menge draußen untertauchen und sie nie wiedersehen.
Mit der plötzlichen Freude, sie vor sich zu sehen, überkam ihn auch der Zorn auf alle, die ihn so unnötig hatten leiden lassen.
Er blickte in ihre grauen Augen und wußte, daß ihm auf dieser Welt nichts so teuer und kostbar war wie Eilan. In ihrer Nähe fühlte er sich lebendig und nicht wie ein gefühlloses Wesen, das Befehle erhielt und ausführte. Nein, er konnte und würde sie nicht wieder verlieren, mochten sein Vater und ihr Vater sagen, was sie wollten.
Eilan blickte sich unruhig um: »Dieda ist auch hier. Sie wird dich bestimmt erkennen. Und Gwenna… Die ältere Priesterin wird… «
»Ich kann mich an Dieda erinnern«, sagte er rauh. »Ich muß meinen Centurio wiederfinden! Aber bei den Göttern, ich bin so froh, daß du lebst«, fügte er glücklich hinzu, ohne sich von der Stelle zu bewegen.
Plötzlich hörten sie das kleine Mädchen weinen. Es war wieder bei Bewußtsein, und Gwenna beruhigte die Mutter: »Keine
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