Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
zittert die glühende Luft; Dampfwolken steigen auf, die Geschütze brüllen ... Jetzt heißt es, Patrouillen ausschicken, welche sich auf die Kampfplätze begeben, um die Schwerverwundeten aufzulesen und hierherzubringen. Gibt es etwas Heldenhafteres, als solchen Gang mitten in den summenden Kugelregen hinein, an allen Schrecken des Kampfes vorüber, allen Gefahren des Kampfes ausgesetzt – ohne selber dessen wildem Rausche sich hingeben zu dürfen? Rühmlich ist dieses Amt – nach Kriegsbegriffen – nicht. »Bei der Sanität« – da dient doch kein fescher, strammer, schneidiger Junge – da verdreht doch keiner die Köpfe der Mädchen. Und »Feldscheer« – wenn der auch heute nicht mehr so – sondern »Regimentsarzt « heißt, der kann sich doch mit keinem Kavallerieleutnant messen? ...
    Der Sanitätskorporal kommandiert seine Leute nach einer Niederung, gegen welche eine Batterie ihr Feuer eröffnet hat. Sie gehen durch den grauen Schleier des Pulverdampfes, und Staub und Erde, da, wo eine Kugel zu ihren Füßen einschlägt, wirbelt vor ihnen auf. Sie sind nur wenige Schritte gegangen, so begegnen sie schon Verwundeten – leichter Verwundeten, die sich entweder einzeln oder paarweise, einander gegenseitig unterstützend, zur Ambulance schleppen. Einer fällt zusammen. Es ist aber nicht seine Wunde, die ihm die Kraft gebrochen – es ist Erschöpfung. »Wir haben zwei Tage nichts gegessen – machten einen forcierten Marsch von zwölf Stunden ... kamen ins Biwak ... zwei Stunden darauf Alarm und Schlacht« ...
    Die Patrouille geht weiter. Diese Leute finden selber ihren Weg und können den zusammengebrochenen Kameraden mitnehmen. Die Hilfe muß anderen, noch Hilfsbedürftigeren aufgespart werden.
    Auf dem Steingerölle eines Hügelabhanges liegt ein blutiges Knäuel. Es sind ein Dutzend Soldaten. Der Sanitätsunteroffizier bleibt stehen und legt ein paar Verbände an. Aber mitgenommen werden diese Verwundete nicht; erst müssen die geholt werden, die mitten auf dem Gefechtsfelde fielen – vielleicht kann man diese hier beim Rückgang auflesen ...
    Und wieder geht die Patrouille weiter, dem Kampfplatz näher. In immer dichteren Scharen wanken Verwundete heran, sich selber oder einander mühsam fortschleppend. Das sind solche, die doch noch gehen können. Unter sie wird der Inhalt der Feldflaschen verteilt, man legt ihnen eine Binde auf quellende Wunden und weist ihnen den Weg nach der Ambulance. Und wieder geht es weiter. An Toten vorüber – an Hügeln von Leichen ... Viele dieser Toten zeigen die Spuren entsetzlichster Agonie. Unnatürlich weit aufgerissene Augen – die Hände in die Erde gebohrt – die Haare des Bartes aufgerichtet – zusammengepreßte Zähne unter krampfhaft geöffneten Lippen – die Beine starr ausgestreckt, so liegen sie da.
    Jetzt durch einen Hohlweg. Hier liegen sie aufgeschichtet. Tote und Verwundete untereinander. Letztere begrüßen die Sanitätspatrouille wie rettende Engel und flehen und schreien um Hilfe. Mit gebrochenen Stimmen, weinend, wimmernd, rufen sie nach Rettung, nach einem Schluck Wasser ... Aber ach – die Vorräte sind fast erschöpft, und was können die wenigen Menschen tun? Ein jeder müßte hundert Arme haben, um da retten zu können ... doch jeder tut, was er kann. Da erschallt der langgezogene Ton des Sanitätsrufes. Die Leute stutzen und halten in ihren Handreichungen inne. »Verlaßt uns nicht, verlaßt uns nicht!« flehen die Unglücklichen; doch wieder und wieder ruft das Hornsignal, welches, von allem anderen Getöse unterscheidbar, deutlich in die Weite dringt. Da kommt auch noch ein Adjutant herangesprengt: »Mannschaft von der Sanität?« »Zu Befehl!« erwiderte der Korporal. »Mir nach.«
    Offenbar ein verwundeter General ... Da heißt es gehorchen und die anderen verlassen ... »Mut und Geduld, Kameraden, wir kommen wieder.« Die es sagen und die es hören, sie wissen, daß das nicht wahr ist.
    Und wieder geht es weiter. – Dem Adjutanten – der, voransprengend, die Richtung weist – im Eilschritt nach. Da gibt es unterwegs kein Aufhalten, ob auch von rechts und links die Weh- und Hilferufe ertönen, ob auch auf die Eilenden selber manche Kugel fällt und einen oder den anderen hinstreckt – nur weiter, nur vorüber. Vorüber an unter dem Schmerz ihrer Wunden sich krümmenden Menschen, welche von über sie hinjagenden Rossen zertreten, oder von über ihre Glieder fahrenden Geschützen zermalmt wurden und welche, die Rettungsmannschaft

Weitere Kostenlose Bücher