Die Waffen nieder!
wird es von der Hyäne gemordet oder – um nicht einst wieder erkannt zu werden – sticht sie ihm die Augen aus ....«
Ich schrie laut auf. Bei des Doktors letzten Worten hatte ich die ganze Szene wieder mit angesehen, und die Augen, in welche die Hyäne ihr Messer gebohrt, das waren Friedrichs blaue, sanfte, geliebte Augen ....
»Verzeihen Sie mir, gnädige Frau, aber Sie haben es gewollt ....«
»Ja, ja – ich will alles hören. Was Sie da beschrieben haben, war die Nacht, welche auf die Schlacht folgt – diese Szenen haben sich bei Sternenschein abgespielt –«
»Und bei Fackelschein. Die vom Sieger zum Durchsuchen des Schlachtfeldes ausgeschickten Patrouillen tragen Fackeln und Laternen. Und rote Laternen ragen an Signalstangen empor, um die Orte zu bezeichnen, an welchen fliegende Hospitäler errichtet worden sind.«
»Und der nächste Morgen – wie zeigt der die Wahlstatt?«
»Beinah noch fürchterlicher. Der Gegensatz von dem helllächelnden Tagesgestirn zu der grausigen Menschenarbeit, die es beleuchtet, wirkt doppelt schmerzlich. Des Nachts hatte das ganze Schreckbild etwas Gespensterhaft-Phantastisches, bei Tag ist es einfach – trostlos. Jetzt erst sieht man die Massenhaftigkeit der umherliegenden Leichen: Auf den Straßen, zwischen den Feldern, in den Gräben, hinter Mauertrümmern; überall, überall Tote. Geplündert, mitunter nackt. Ebenso die Verwundeten. Diese, die trotz der nächtlichen Arbeit der Sanitätsmannschaften noch immer in großer Zahl umherliegen, sehen fahl und zerstört aus, grün und gelb, mit stierem, stumpfsinnigem Blick; oder aber unter wütenden Schmerzen sich krümmend, flehen sie jeden an, der in die Nähe kommt, daß er sie töte. Schwärme von Aaskrähen lassen sich auf die Wipfel der Bäume nieder und verkünden mit lautem Gekrächz das lockende Festmahl ... Hungrige Hunde aus den Dörfern kommen herbeigerannt und lecken das Blut der Wunden. Noch sieht man einige Hyänen, welche noch immer hastig weiter arbeiten ... Und jetzt kommt das große Begraben –«
»Wer tut das? – Die Sanität?«
»Wie könnte die zu solcher Massenarbeit ausreichen? Die hat bei den Verwundeten vollauf zu tun.«
»Also kommandierte Truppen?«
»Nein: Herbeigeschafftes oder auch freiwillig heranlaufendes Gesindel: Landstreicher, Leute vom Troß, welche sich bei den Marketenderbuden, bei den Bagagewagen aufhielten, und welche jetzt neben den Bewohnern der Armenhäuser und der Hütten von den Militärgewalten herbeigetrieben werden, um Gräber zu graben – recht große, das heißt – weite Gräber, denn tief werden sie nicht gemacht. Dazu wäre keine Zeit. Da hinein wirft man die toten Körper – kopfüber, kopfunter, wie es gerade kommt. Oder man macht es so: Über einen aus Leichen gebildeten Haufen wirft man ein bis zwei Fuß hohe Erde hinauf: das sieht dann auch aus wie ein Tumulus . Ein paar Tage darauf kommt ein Regen und spült die Hülle von den verwesenden Leichnamen weg – aber was liegt daran? Die flinken und lustigen Totengräber denken nicht so weit. Lustige und flotte Arbeiter sind sie, das muß man ihnen lassen. Es werden da Lieder gepfiffen und allerlei zweideutige Witze gemacht – ja mitunter tanzt eine Hyänenrunde um das offene Grab. Ob in manchen Körpern, die da hinabgeschleudert oder mit Erde verschüttet werden, noch Leben sich regt – darum kümmern sie sich auch nicht. Der Fall ist unvermeidlich, denn Starrkrampf tritt bei Verwundungen häufig auf. Manch zufällig Errettete haben von der Gefahr des Lebendig-begraben-werdens, der sie entronnen, erzählt. Aber wie viele gibt es derer, die nichts erzählen konnten? Wenn man einmal ein paar Fuß Erde über dem Mund liegen hat, so muß man den Mund wohl halten.« ...
O mein Friedrich, mein Friedrich! stöhnte es in meiner Seele.
»Das ist das Bild des nächsten Morgens,« schloß der Regimentsarzt. »Soll ich noch weiter erzählen, was den nächsten Abend geschieht? Da wird –«
»Das will ich Ihnen sagen, Herr Doktor,« unterbrach ich. »In eine von den beiden Hauptstädten der beteiligten Reiche ist die telegraphische Nachricht des glorreichen Sieges angelangt. Da wurde vormittags – während des Hyänentanzes um die Gruben – in den Kirchen »Nun danket alle Gott« gesungen und abends – da stellt die Mutter, oder das Weib eines Lebendigbegrabenen ein paar brennende Kerzen auf den Fenstersims, denn die Stadt wird beleuchtet.«
»Ja, gnädige Frau, diese Komödie wird zu Hause aufgeführt. Indessen
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