Die Waffen nieder!
dir vielleicht das große Glück beschieden, Österreichs Waffen wieder zu ihrem vollen – momentan verdunkelten – Glanz zu verhelfen. Wenn wir einmal das Zündnadelgewehr, oder vielleicht noch ein wirksameres System eingeführt haben, dann werden wir die Herren Preußen schon drunter kriegen.«
»Wer weiß,« meinte ich, »vielleicht wird die Feindschaft mit Preußen aufhören, vielleicht schließen wir einst mit ihnen ein Bündnis –«
Mein Vater zuckte die Achseln:
»Wenn nur die Frauen nicht über Politik reden wollten!« sagte er verächtlich. »Nach dem Vorgefallenen müssen wir die Übermütigen züchtigen, wir müssen den anektierten (so nennen sie's – ich sage »geraubten«) Staaten wieder zu ihrem zertretenen Recht verhelfen, das erfordert unsere Ehre und das Interesse unserer europäischen Machtstellung. Freundschaft – Allianz mit diesen Frevlern? Nimmermehr. Außer sie kämen demütig gekrochen.«
»In diesem Fall,« bemerkte Friedrich, »würde man wohl den Fuß auf ihren Nacken setzen; Bündnisse sucht und schließt man nur mit jenen, die einem imponieren, oder die gegen einen gemeinschaftlichen Feind Schutz leisten können. In der Staatskunst ist Egoismus das oberste Prinzip.«
»Nun ja,« gab mein Vater zurück, »wenn das ego Vaterland heißt, so ist solchem Egoismus doch alles andere unterzuordnen, so ist doch alles erlaubt und geboten, was dem Interesse dieses Ichs dienlich erscheint.«
»Es ist nur zu wünschen,« entgegnete Friedrich, »daß im Verkehr der Gemeinwesen dieselbe erhöhte Gesittung erlangt wird, welche im Verkehr der einzelnen den rohen, faustrechtlichen Ich-Kultus verdrängt hat, und die Einsicht immer mehr Platz greife, daß die eigenen Interessen auch ohne Schädigung der fremden, vielmehr im Verein mit diesen, am wirksamsten zu fördern sind.«
»Was?« fragte mein Vater, die Hand ans Ohr legend.
Natürlich mochte Friedrich seinen langen Satz nicht wiederholen und erläutern – und die Diskussion war zu Ende.
* * *
»Ich komme morgen 1 Uhr nach Grumitz, Konrad.«
Den Jubel kann man sich vorstellen, den diese Depesche bei Lilli hervorrief. So entzückt und freudig wird wohl kein anderer Ankömmling empfangen, wie einer, der aus dem Kriege heimkehrt. Freilich war es in diesem Falle nicht auch, wie es in den betreffenden Balladen und Kupferstichen am liebsten dargestellt wird: »die Heimkehr des Siegers«; aber die menschlichen Gefühle der liebenden Braut ließen sich von den patriotischen nicht beeinträchtigen, uns hätte Vetter Konrad die Stadt Berlin »genommen« – ich glaube, es hätte dies die Herzlichkeit von Lillis Empfang nicht zu steigern vermocht.
Ihm natürlich wäre es lieber gewesen, wenn er mit siegenden Truppen heimgekehrt wäre; wenn er dazu beigetragen hätte, seinem Kaiser die Provinz Schlesien zu erobern. Indessen: überhaupt sich geschlagen zu haben, ist ja für den Soldaten schon eine Ehre, auch wenn er der Geschlagene – ja sogar der Gefallene ist; letzteres ist ganz besonders rühmlich. So erzählte Otto, daß in der Wien-Neustädter Akademie auf einer Ehrentafel die Namen aller jener Zöglinge eingetragen sind, welchen der Vorzug zuteil wurde, vor dem Feinde zu bleiben. »Tué à l'ennemi« , sagt man in Frankreich, und es ist dies dort zu Lande – wie überall – eine, besonders bei den Ahnen, sehr geschätzte Eigenschaft. Je mehr man in seiner Familie Vorfahren aufweisen kann, die in Schlachten – gleichviel ob gewonnenen oder verlorenen – ihr Leben gelassen haben, desto stolzer ist der Enkel darauf, desto mehr Wert kann er auf seinen Namen, desto weniger Wert darf er auf sein Leben legen. Um sich getöteter Ahnen würdig zu zeigen, muß man an der Töterei – an der aktiven und passiven – seine helle Freude haben.
Nun, desto besser, daß, so lange es Kriege gibt, doch auch Leute vorkommen, welche darin Erhebung, Begeisterung, ja sogar Genuß finden. Die Zahl solcher Leute wird jedoch täglich geringer, während die Zahl der Soldaten täglich größer wird ... wohin muß das endlich führen?
Zur Unerträglichkeit .
Und wohin führt diese?
So weit dachte Konrad nicht. Seine Auffassung stimmte noch vortrefflich zu der bekannten Leutnantsarie aus der Weißen Dame: »Ha, welche Lust, Soldat zu sein, ha, welche Lust ....« Wenn man ihn reden hörte, konnte man ihn förmlich um die Expedition beneiden, welche er eben mitgemacht. Mein Bruder Otto war auch von solchem Neide ganz erfüllt. Dieser aus der Blut- und Feuertaufe
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