Die Waffen nieder!
über alle Privatinteressen und über meine kleine Vernunft erhabenes, das Leben der Staaten bedingendes Prinzip sei, und eifrig studierte ich in der Geschichte Schleswig-Holsteins nach, um einen Begriff von dem »historischen Recht« zu erlangen, zu dessen Wahrung der gegenwärtige Prozeß geführt ward.
Da fand ich denn, daß der fragliche Landstrich schon im Jahre 1027 an Dänemark abgetreten worden war. Also haben eigentlich die Dänen recht; sie sind die legitimen Könige des Landes ...
Nun aber, zweihundert Jahre später, wird das Land einer jüngeren Linie des Königshauses zugeteilt und gilt nur noch als ein dänisches Fahnenlehen. 1326 wird Schleswig dem Grafen Gerhard von Holstein überlassen und die »Waldemarsche Konstitution« verbrieft, daß »es nie wieder mit Dänemark so verbunden werden soll, daß ein Herr sei«. Ah so; dann ist das Recht doch auf Seite der Verbündeten: wir kämpfen für die »Waldemarsche Konstitution«. Das ist wohl in der Ordnung, denn wozu wären denn verbriefte Zusicherungen wenn man sie nicht aufrecht erhielte?«
Im Jahre 1448 wird die Waldemarsche Konstitution nochmals durch König Christian I. bestätigt. Also kein Zweifel; nie soll und darf wieder »Ein Herr sein«. Was wollte da der Protokoll-Prinz?
Zwölf Jahre später stirbt der Herrscher von Schleswig kinderlos und die Landstände versammeln sich zu Ripen (gut, daß man immer so genau weiß, wann und wo sich Landstände versammelten: es war also 1460 zu Ripen) und proklamieren den dänischen König zum Herzog von Schleswig, wogegen er ihnen verspricht, daß die Lande »ewig zusammenbleiben sollen – ungeteilt«. Das macht mich wieder ein wenig konfus. Der einzige Anhaltspunkt ist noch das »ewig zusammenbleiben«.
Aber die Verwirrung nimmt im weiteren Verlauf dieses historischen Studiums fortwährend zu, denn jetzt beginnt, trotz der Formel: »ewig ungeteilt« (das Wort »ewig« spielt in politischen Verträgen überhaupt eine niedliche Rolle) ein ewiges Spalten und Teilen des Besitzes zwischen den Söhnen des Königs und Wiedervereinen unter einem nächsten König und Gründen neuer Linien – Holstein-Gottorp und Schleswig-Sonderburg –, welche sich unter gegenseitigen Verschiebungen und Abtretungen der Anteile abermals spalteten in die Linien Sonderburg-Augustenburg, Beck-Glücksburg, Sonderburg-Glücksburg, Holstein-Glückstadt, – kurz, ich kenne mich gar nicht mehr aus.
Aber nur weiter. Vielleicht begründet sich das historische Recht, um welches heute unsere Landessöhne bluten müssen, erst später.
Christian IV. mischt sich in den dreißigjährigen Krieg und die Kaiserlichen und Schweden fallen in die Herzogtümer ein. Jetzt wird wieder (zu Kopenhagen, 1658) ein Vertrag gemacht, worin dem Hause Holstein-Gottorp die Oberherrschaft über den schleswigschen Anteil zugesichert wird, und da ist es endlich mit der dänischen Lehenshoheit vorbei.
Auf ewig vorbei. Gott sei Dank. Jetzt finde ich mich doch wieder zurecht.
Was geschieht aber durch Patent vom 22. August 1721? Einfach dies: der gottorpsche Anteil von Schleswig wird der dänischen Monarchie einverleibt. Und am 1. Juni 1773 wird auch Holstein dem dänischen Königshause überlassen – das Ganze gilt nun als dänische Provinz.
Das ändert die Sache: ich sehe schon – die Dänen sind im Recht.
Aber doch nicht so ganz. Denn der Wiener Kongreß von 1815 erklärt Holstein für einen Teil des deutschen Bundes. Dies aber wurmt die Dänen. Sie erfanden das Schlagwort: »Dänemark bis zur Eider« und streben nach der totalen Besitznahme des von ihnen »Südjütland« benannten Schleswig. Hier hingegen wird das »Erbrecht des Augustenburgers« als Losung gebraucht und zu deutschnationalen Kundgebungen benutzt. Im Jahre 1846 schreibt der König Christian einen offenen Brief, worin er die Integrität des Gesamtstaates als Ziel hinsetzt, wogegen die »deutschen Lande« protestieren. Zwei Jahre später wird vom Throne aus die völlige Vereinigung nicht mehr als Ziel, sondern als fait accompli verkündet, worauf in den »deutschen Landen« der Aufstand ausbricht. Jetzt geht das Raufen los. Bald siegen die Dänen in diesem Gefecht, bald die Schleswig-Holsteiner in einem anderen! Dann mischt sich der deutsche Bund hinein. Die Preußen »nehmen« die Düppeler Höhen; aber das macht dem Streit kein Ende. Preußen und Dänemark schließen Frieden; Schleswig-Holstein muß nun allein gegen die Dänen kämpfen und wird bei Idstedt geschlagen.
Der Bund verlangt
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