Die Waffen nieder!
beglückende Bild: Friedrich, mein geliebter Friedrich auf der Schwelle ... Laut aufschluchzend und das Gesicht mit beiden Händen bedeckend, fuhr ich aus meinem traumhaften Zustand auf. Mit einem Schlag war es mir klar geworden, daß dies nur eine Halluzination gewesen, und das himmelshelle Glückslicht, welches von diesem Wahnbild ausgeflossen, ließ mir die höllenfinstere Nacht meines Unglücks nur desto schwärzer erscheinen.
»O mein Friedrich – mein Verlorener!« stöhnte ich.
»Martha, Weib –!«
Was war das? Eine wirkliche Stimme – die seine – und wirkliche Arme, die mich stürmisch umfingen ... Es war kein Traum: ich lag an meines Mannes Herzen.
* * *
Wie in der letzten Abschiedsstunde unser Schmerz sich mehr in Tränen und Küssen, denn in Worten geäußert hatte – so auch unser Glück in dieser Wiedersehensstunde. Daß man vor Freude wahnsinnig werden kann, ich fühlte es deutlich, als ich den Verlorengeglaubten wieder festhielt, als ich schluchzend und lachend und erregungszitternd immer wieder den teuren Kopf mit beiden Händen faßte, um ihm Stirn und Augen und Mund zu küssen, unverständliche Worte stammelnd ...
Auf meinen ersten Jubelschrei war Tante Marie aus dem Nebenzimmer herbeigeeilt. Auch sie hatte von Friedrichs Rückkunft keine Ahnung gehabt und bei seinem Anblick ließ sie sich mit einem lauten »Jesus, Maria und Joseph!« auf den nächsten Sessel fallen.
Es dauerte lange, bis der erste Freudentaumel sich genug gelegt hatte, um gegenseitigen Fragen und Gegenfragen, Mitteilungen und Berichten Raum zu lassen. Dann erfuhren wir, daß Friedrich in einem Bauernhause liegen geblieben war, während sein Regiment weiter gezogen. Die Wunde war keine schwere gewesen, dennoch hatte er mehrere Tage bewußtlos im Fieber gelegen. Briefe waren ihm in letzter Zeit keine zugekommen, und es war auch nicht möglich gewesen, solche abzuschicken. Als er genesen, da war der Waffenstillstand bereits erklärt und eigentlich der Krieg zu Ende. Nichts hinderte ihn, nach Hause zu eilen. Jetzt schrieb und telegraphierte er nicht mehr und reiste Tag und Nacht, um so schnell als möglich anzukommen. Ob ich noch am Leben, ob ich außer Gefahr war – das wußte er nicht. Er wollte sich auch gar nicht darum erkundigen – nur hin, nur hin, ohne eine Stunde zu verlieren und ohne seiner Heimfahrt etwa die Hoffnung abzuschneiden, daß er sein Liebstes wiederfindet ... Und diese Hoffnung ward nicht getäuscht: jetzt hatte er sein Liebstes wiedergefunden: gerettet und selig – über die Maßen selig ...
Bald übersiedelten wir alle nach meines Vaters Landsitz. Friedrich hatte zur Herstellung seiner Gesundheit einen längeren Urlaub erhalten und die ihm vom Arzt verordneten Mittel: Ruhe und gute Luft konnte er am besten bei uns in Grumitz finden.
Das war ein glücklicher Nachsommer ... Ich erinnere mich keines Zeitabschnittes in meinem Leben, der schöner gewesen wäre. Die endliche Vereinigung mit einem lang ersehnten Geliebten mag wohl unendlich sein; aber fast noch süßer will mir die Wiedervereinigung mit einem schon halb Verlorengegebenen scheinen. Wenn ich mich für einen Moment in das Angstgefühl zurückversetze, welches mich vor Friedrichs Rückkunft erfüllte, oder mir die Bilder heraufbeschwor, welche meine Fiebernächte gequält hatten – Friedrich, allerlei Todesqual erleidend – und mich dann an seinem Anblick weidete, so jubelte mir das Herz. Ich hatte ihn jetzt noch lieber, noch hundertmal lieber, den wiedererlangten Gatten, und ich empfand seinen Besitz als einen immer anwachsenden Reichtum. Schon hatte ich mich für eine Bettlerin gehalten – Und jetzt: – die Freudenmillion war mein!
Die ganze Familie war in Grumitz versammelt. Auch Otto, mein Bruder, brachte seine Ferien bei uns zu. Er war jetzt fünfzehn Jahre alt und sollte noch drei Jahre in der Wiener-Neustädter Militärakademie zubringen. Ein herziges Bürschchen, mein Bruder, und des Vaters Liebling und Stolz. Er sowohl, als Lilli und Rosa füllten das Haus mit ihrer Lustigkeit. Das war ein ewiges Lachen und Springen und Ball- und Raquette-Spiel und allerlei tolles Streichemachen. Vetter Konrad, dessen Regiment unweit Grumitz in Garnison lag, kam so häufig als möglich herübergeritten und hielt bei den Ausgelassenheiten der Jungen wacker mit. Eine zweite Partie bildeten die Alten – nämlich Tante Marie, mein Vater und einige als Gäste bei uns weilende Kameraden des letzteren. Unter diesen wurde fleißig Karten gespielt,
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