Die Waffenhändler von Hamor
so großen Heer reiten?«
»Wir werden sie sehen«, antwortet Lorn. »Sie haben keine Angst mehr vor Spiegellanzenkämpfern. Vielleicht weil sie immer mehr und immer, bessere Klingen aus Hamor bekommen.«
Lorn ist darauf bedacht, nichts von dem preiszugeben, was er weiß. Er hat natürlich das Chaos-Glas in seinen Privatgemächern befragt und dabei zwei Räuberbanden in den Grashügeln entdeckt. Die eine Gruppe nähert sich dem Gebiet, das von Pemedra aus beschützt wird, die andere hat es ganz offensichtlich auf ein Dorf im Nordwesten von Inividra abgesehen – eines, das nur mit niedrigen Schutzwällen ausgestattet ist und viel mehr Vieh als die anderen besitzt; zudem liegt es weit weg von den üblichen Angriffsgebieten. Genau dorthin reiten Lorn und die zwei Kompanien jetzt.
»Ihr habt solche Klingen aus dem Kampf mitgebracht, sagt man.«
»Fast dreihundert Stück. Ich habe sie in die Waffenkammer nach Biehl bringen lassen und den Kaiserlichen Buchhalter gebeten, die Anzahl zu bestätigen. Die meisten Klingen trugen hamorische Schmiedezeichen. Einige stammten aus Brysta.«
»Ihr habt die Anzahl der Patrouillen pro Achttag verringert«, versucht Emsahl vorsichtig vorzudringen.
»Ich glaube, Ihr werdet bald feststellen, dass wir mit der neuen Patrouillen-Einteilung und den größeren Truppenstärken genauso erfolgreich sein werden.« Lorn benutzt zwar das Chaos-Glas, um die Patrouillen zielgenau zu führen, doch er wagt nicht, darüber zu sprechen. Einen Vorteil hat es jedoch, Kommandant zu sein, er muss nichts erklären – außer Ikynd und Dettaur gegenüber. Aber keiner von den beiden kann direkt danach fragen, wenn er nicht nach Inividra kommt, was Lorn in der nahen Zukunft als höchst unwahrscheinlich erachtet.
»Das stimmt«, bemerkt Emsahl und verfällt in Schweigen.
Lorn wischt sich die Regentropfen von der Stirn und rückt die Garnisonskappe zurecht. Der nächste Morgen – und die Barbaren – kommen noch früh genug.
XLVIII
V or der Lanzenkämpfer-Kolonne erstreckt sich ein langer, sanfter Hang, der in das nächste der zahllosen Täler führt, welche die südwestlichen Gefilde der Grashügel durchschneiden. Der Nieselregen des vorigen Tages ist von einem klaren, grünblauen Himmel und einer kühlen Brise aus Norden abgelöst worden, die zur Jahreszeit passt. Lorn berührt die volle Feuerlanze im Köcher vor seinem rechten Knie, nur um sich Gewissheit zu verschaffen, dass sie noch geladen ist für die Aufgabe, die ihnen bevorsteht. Allmählich sollten sie sich den Barbarenhorden nähern, die Späher haben jedoch noch nichts gemeldet.
Lorn streckt sich und wirft gleichzeitig einen Blick nach links zu Hauptmann Emsahl. »Wie habt Ihr bisher gegen die Barbaren gekämpft?«, fragt Lorn. »In welcher Formation?«
»In Viererreihen.«
»Versetzt oder in Kolonne?«
»Für gewöhnlich in Kolonne.«
»Wenn es Euch recht ist, werden wir einen Vorstoß in versetzten Fünferreihen versuchen. Jeder Lanzenkämpfer in der zweiten und vierten Reihe soll mit der Nase seines Pferdes fast an das Hinterteil des Lanzenkämpfers in der ersten und dritten Reihe stoßen. Ich möchte, dass sie aus so kurzer Entfernung wie möglich schießen. Wenn sie nicht treffen, müssen sie noch einmal zielen.«
Emsahl runzelt die Stirn.
»Ich weiß … sie sind es gewohnt, einfach draufloszuschießen … aber wenn sie ihre Ladungen jetzt verschwenden, fehlt ihnen am Ende der Patrouille das nötige Chaos.« Lorn lächelt freudlos. »Und dann werden sie sagen, dass sie ohnehin sterben werden und es ihnen gleichgültig ist.«
Emsahl lacht, das raue Lachen eines erfahrenen Soldaten.
»Sagt Ihnen, sie sollen versuchen, möglichst schon beim ersten Schuss zu treffen«, schlägt Lorn vor. »Egal wie, aber sie sollen versuchen zu treffen.«
»Das … werden sie … besonders wenn ich Ihnen sage, dass jeder, der seine Ladung aufgebraucht hat, bevor der Kampf vorüber ist, für den Rest der Jahreszeit in der ersten Reihe reiten muss.«
Beide Offiziere blicken auf, als ein Späher sich von rechts der Kolonne nähert und direkt auf Lorn und Emsahl zusteuert.
Lorn reitet weiter, als der Soldat sein Pferd herumnimmt und neben dem Sub-Major her reitet.
»Ihr hattet Recht, Ser. Barbaren … sie erreichen gerade das Tal. Hundertfünfzig Mann, vielleicht hundertachtzig«, berichtet der Späher. »Sie tragen die großen Klingen in ihren Schultergeschirren und Säbel an den Hüften.«
Hundertfünfzig – und Lorn hat in Inividra
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