Die wahre Koenigin
furchtlos Campbells Blick. Sie war Lady MacAlpin, das Oberhaupt ihres Clans. Die MacAlpins waren keine Feiglinge.
Brice bemerkte ihren veränderten Ausdruck. Sogar in seinem Zorn kam ein Gefühl der Bewunderung in ihm auf. Es gab nicht viele in diesem Land, die ihm, Brice Campbell, furchtlos ins Auge sahen.
Er hatte nicht nur ihren kühnen Blick bemerkt. „Gebt mir den Dolch“, sagte er in mühsam beherrschtem Ton.
Meredith zog die Brauen zusammen. Sie rührte sich nicht.
„Wenn ich Euch entwaffnen muss, Mylady, werde ich nicht zimperlich sein.“
Sie erinnerte sich an den eisernen Griff seiner Hände und starrte auf seine muskulösen Arme. Dann hob sie den Blick. Dem Zwang seiner durchdringenden dunklen Augen hielt sie nicht lange stand. Einen kurzen Moment noch umklammerte sie den Dolch, dann, mit unverändert kühler Miene, öffnete sie die Faust und ließ die Waffe fallen.
Brice betrachtete den winzigen Dolch, der auf dem Boden zwischen den Fellen lag und im Schein des Feuers aufblinkte. „Wer war Euer Bräutigam?“, fragte Brice.
Ein Gefühl des Triumphs durchzuckte Meredith. Dies hatte Campbell verdient. Er verdiente, genauso verletzt zu werden, wie er sie verletzt hatte. Sie würde das Messer in seinem Herzen herumdrehen und langsam herausziehen. Sie würde ihn treffen, wenn nicht mit dem Dolch, dann mit Worten.
„Es war nicht Gareth MacKenzie, Mylord“, sagte sie und lächelte dabei.
Brice runzelte die Stirn. Verdammt, die Frau genoss seine Verwirrung. „Wer war er?“, fragte er scharf.
„Gareths Bruder. Desmond.“
Meredith sah voller Genugtuung, wie Brice die Lippen aufeinanderpresste. Ein Muskel seines Kiefers begann zu arbeiten.
„Du lügst, Frau! “ Brice vergaß die letzten Formen der Höflichkeit. „Seit wann erhält der jüngere Sohn vor dem älteren die Erlaubnis zu heiraten?“ Noch dazu eine so ungewöhnliche und schöne Frau, fügte er in Gedanken hinzu.
Er ließ den Blick an Meredith hinabwandern. Zum ersten Mal seit der Gefangennahme sah er sie, sah alles, was einem Mann an einer begehrenswerten Frau auffallen musste. Diese schönen, wilden Haare, die ihr fast bis zu den Hüften reichten. Diese grünen, leuchtenden Augen in dem blassen Gesicht.
Und ein schwellender junger Körper, reif und bereit, wie eine Frucht zum Pflücken. Sie war etwas Besonderes.
Brice riss den Blick von dem durchscheinenden Brautgewand los. „Warum Desmond MacKenzie?“, fragte er etwas sanfter.
„Weil ich nie in eine Heirat mit Gareth eingewilligt hätte. Er wusste das und hat deshalb seinen Bruder vorgeschoben.“ „Eingewilligt?“ Brice warf den Kopf zurück und lachte. „Wozu brauchte er die Einwilligung eines Mädchens? Warum ist er nicht zu Eurem Vater gegangen und hat um Euch angehalten, wie es sich für einen Mann gehört?“
„Ich brauche nicht die Einwilligung eines Mannes“, sagte Meredith in einem Ton, der Campbell aufhorchen ließ. „Und Ihr wisst genau, warum. Nachdem Ihr meinen Vater getötet habt, bin ich MacAlpin und Oberhaupt des Clans.“
„Ich soll Euren Vater getötet haben?“ Brice trat einen bedrohlichen Schritt näher und sah, dass seine Gefangene ihn wachsam im Auge behielt. „Wer hat mich eines solch ungeheuerlichen Verrats beschuldigt?“
Meredith sagte nichts.
Brice unterdrückte einen Fluch. „Also Gareth MacKenzie. Wenn er der Lügner war, dann ist es kaum der Rede wert. Der Mann ist kein Gegner für mich. “
„Er bedeutet Euch so wenig, dass Ihr in ein Heiligtum eingedrungen seid, um ihn zu töten“, sagte sie voller Abscheu.
Ihre sarkastische Bemerkung machte Brice wütend. Doch bei den Worten, die folgten, wich sein Zorn tiefer Bestürzung.
„Stattdessen habt Ihr einen unschuldigen Jungen umgebracht. Einen MacKenzie, immerhin ..."
„Es tut mir leid. Es war nie meine Absicht, Desmond MacKenzie zu töten“, sagte Brice im Ton ehrlichen Bedauerns.
Sein Geständnis überraschte Meredith. Sie musterte Campbell nachdenklich. War es möglich, dass in diesem Wilden menschliche Gefühle schlummerten?
„Beim nächsten Mal werde ich mehr Erfolg haben! “, fuhr er in seinem gewohnten schroffen Ton fort. „Gareth MacKenzie ist schon jetzt ein toter Mann.“
„Und was wird aus mir?“
Brice ging noch näher auf Meredith zu, sodass sie sich fast berührten. Wie auf einen stummen Befehl folgte ihm die Hundemeute. Meredith wich keinen Zentimeter zurück. Sie hatte keine Angst.
Brice hob die Hand, wollte Meredith grob an der Schulter packen.
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