Die wahre Koenigin
duldete. Sie hatte keinen Respekt vor launenhaften Männern, und Campbell flößte ihr nichts als Hass ein.
„Aber unser Lord Campbell ist nicht nachtragend und kann leicht verzeihen und vergessen“, fuhr Cara versonnen lächelnd fort. „In ganz Schottland gibt es keinen gerechteren und versöhnlicheren Mann. Sogar seinen Feinden erweist er manchmal Güte.“
„Wie soll ich das verstehen?“
Cara lächelte Meredith ermutigend zu. „Jamies Vater war ein Lowlander.“
„Ich dachte, er sei Campbells Sohn.“
„Sein Sohn?“ Cara musste bei der Vorstellung lächeln. „Jamie ist ein MacDonald. Ian MacDonald und der kleine Junge waren nach einem nächtlichen Angriff die einzigen Überlebenden ihres Clans. Da Ian MacDonald Campbell für den Angreifer hielt, ritt er mit dem Kind ins Hochland, um sich zu rächen.“
„Und was geschah mit Ian?“, fragte Meredith, obwohl sie die Antwort bereits wusste.
„Er fiel im Kampf. Und Brice nahm sich seines Jungen an, nachdem er erfahren hatte, dass in den Lowlands niemand mehr da war, um ihn großzuziehen.“ Cara lächelte sanft. „Ihr hattet nicht ganz unrecht, Mylady. Mein Lord liebt Jamie wie seinen eigenen Sohn.“
Cara schluckte. Sie hatte der Fremden zu viel preisgegeben. Wenn sie doch nur ihre Zunge besser im Zaum hielte! Aber auf ihren Herrn ließ sie nichts kommen, und das sollte die Lady wissen. „Niemand soll Brice Campbell einen ungerechten Mann nennen“, sagte sie überschwänglich. „Mein Lord ist fair und gut.“
Sie verstummte verlegen, denn Merediths kühler Blick zeigte ihr, dass sie ihre Grenze überschritten hatte. „Ich lasse Euch jetzt allein, Mylady. Esst Euch satt und genießt Euer Mahl. Ihr müsst hungrig sein. Wenn Ihr fertig seid, bringe ich Euch warme Kleider.“ Sie starrte ungebührlich lange auf Merediths dünnes weißes Gewand. „Verzeiht meine Neugier, Mylady, aber dieses Kleid ... Ihr seht schön aus wie eine Braut.“
Meredith ließ den Löffel sinken. Das kräftige Lammstew, das so verlockend geduftet hatte, hatte plötzlich den Geschmack kalter Asche. Sie schob den Teller beiseite. „Ich war eine Braut. Für einen kurzen Moment.“
„Oh, Mylady, was ist passiert?“, rief Cara, als sie in Merediths kreidebleiches Gesicht blickte.
Merediths Stimme schien wie aus weiter Feme zu kommen. „Er war fast noch ein Junge“, kam es leise. „Und er tat, was man ihm befohlen hatte, genau wie ich.“ Die Stimme klang plötzlich hart und anklagend. „Er wurde vor dem Altar ermordet.“
Meredith schob den Stuhl zurück und ging quer durch den Raum zum Kamin. Ihr war eiskalt, und die Kälte kroch ihr bis ans Herz, als die grauenvolle Szene noch einmal vor ihr ablief. Sie verkrampfte die Hände ineinander, bis die Knöchel weiß hervortraten. „Brice Campbell hat ihn getötet. Der Pfeil desselben Mannes, der angeblich ein so ehrenwerter Herr ist.“ Cara senkte den Blick. „Es tut mir leid, Mylady“, sagte sie leise.
Meredith war so tief in ihre Gedanken versunken, dass sie das Mädchen nicht aus dem Zimmer gehen hörte.
Brice schritt ruhelos vor dem Kamin in der großen Halle auf und ab, während Angus und Holden ihre Humpen leerten. Obwohl Jamie zum Umfallen müde war, widerstand er dem Drang, schlafen zu gehen. Er kostete jede Minute aus, die er in Brices Nähe verbringen durfte, und Neuigkeiten aus den Lowlands waren ihm weit wichtiger als Schlaf.
Die Jagdhunde lagen in einem Halbkreis vor der Feuerstelle, die hellwachen Augen auf ihren Herrn fixiert.
„Wie konnte ich nur solch einen verheerenden Fehler begehen!“, klagte Brice sich an.
„Die MacKenzie-Brüder sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Aus einer so großen Entfernung hätte niemand den Unterschied erkennen können“, beschwichtigte Angus ihn. „Reg dich nicht auf, alter Freund, das nächste Mal werden wir Gareth erwischen.“
„Das nächste Mal.“ Brice fuhr heftig herum. Seine Augen sprühten Funken. „Glaubst du, ich kann noch einmal von meinen Leuten verlangen, ihr Leben in den Lowlands zu riskieren? Nur, um die Ehre meines guten Namens zu retten?“ Angus zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Du weißt, dass sie dir immer und überallhin die Fahne vorantragen würden.“
„Sie haben Frauen und Kinder. Ich will sie nicht wegen einer Ehrensache in Gefahr bringen.“
„Dann gehen wir beide“, entschied Angus. Er trank einen kräftigen Schluck Ale und knallte den Krug auf den Tisch. „Du weißt, dass mir nichts mehr gefällt als ein
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