Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
durch.
»Wann hast du zuletzt geschlafen?« fragte er.
»Weiß ich nicht mehr. Glaubst du, Hermine wollte, daß diese Bilder gemacht werden?«
»Schwer zu sagen. Sie hatte sie ja schließlich in ihrem Besitz. Und du weißt, wo wir das Zeug gefunden haben: in einer Art Geheimfach. Hinter den Schubladen in der Küche hatte sie eine Furnierplatte angebracht. Dahinter lagen die Bilder und eine leere Tüte mit Resten von, wie ich vermute, Heroin. Aus Erfahrung würde ich sagen, daß er es war, der diese Szenen verewigen wollte. Du weißt schon, um später in Gedanken alles noch einmal genießen zu können. Ich wüßte auch gern, wo die Bilder aufgenommen worden sind. Wir werden der Sache natürlich nachgehen, und da sie bei Hermine gefunden worden sind … nein, ich weiß nicht.«
»Oh verdammt«, sagte Annmari angeekelt und drehte die Bilder um. »Es geht mich ja nichts an, was die Leute hinter verschlossenen Türen so treiben, und vielleicht habe ich meine Vorurteile. Aber die beiden sind doch mindestens vierzig Jahre auseinander. Und außerdem Onkel und Nichte. Herrgott, was für eine Familie. Die sich gegenseitig umbringt und miteinander vögelt … Himmel!«
»Zumindest eins davon ist ja nicht verboten.«
»Nein. Sie ist ja erwachsen. Aber … Himmel!«
Erik lachte und klopfte ihr auf die Schulter.
»Jetzt führst du dich aber wirklich ein wenig kindisch auf, Polizeijuristin Skar.«
»Kann schon sein. Aber …«
Sie schaute rasch auf die Uhr. Es war zwanzig vor fünf.
»Wo steckt Hanne?«
»Keine Ahnung. Alle fragen nach ihr. Ihr Handy ist ausgeschaltet. Nicht einmal Billy T. weiß, wo sie sich herumtreibt. Aber was fangen wir jetzt eigentlich mit den Fotos an?«
Sie lagen jetzt aufeinander, mit dem Bild nach unten auf Annmaris Schreibtisch, ganz am Rand, als wolle sie ihren Arbeitsplatz nicht mehr besudeln als unbedingt nötig.
»Wir fahren natürlich zu Alfred Stahlberg. Offenbar hat er eine engere Beziehung zu Hermine, als wir geglaubt haben.«
Wieder schnitt sie eine angewiderte Grimasse und fügte leicht gereizt hinzu:
»Ist der Kerl in Verbindung mit Hermines Verschwinden überhaupt befragt worden?«
»Sicher. Telefonisch.«
»Telefonisch«, schnaubte Annmari. »Ich kann dir sagen, diesmal kommt er nicht so leicht davon. Schick eine Streife. Eine uniformierte. Ich will den Kerl hier haben. Und zwar sofort. Und wenn er nicht freiwillig mitkommt, dann stell ich einen blauen Zettel aus.«
»Weswegen denn? Weshalb willst du den Mann vorladen?«
»Keine Ahnung. Irgendwas. Obstruction of justice. Aber versuch es zuerst im Guten. Es wäre mir sehr lieb, du führest selbst hin, Erik. Aber was in aller Welt ist nur aus Hanne geworden?«
»Das wüßte ich auch gern«, sagte Billy T., er kam ins Zimmer gestürmt, ohne auch nur anzuklopfen. »Sie ist gegen drei Uhr gesichtet worden und dann einfach verschwunden.«
»Hallo«, sagte Annmari. »Du bist noch immer derselbe höfliche Junge wie immer, was?«
»Red keinen Mist. Wir sind alle müde, Annmari. Kein Grund, hier rumzupöbeln. Sieh dir lieber dieses kleine Ding hier an, du. Dann wird deine Laune sich sicher bessern.«
Er legte eine durchsichtige Tüte vor sie hin.
»Ein Magazin?«
Annmari tippte mit einem Kugelschreiber an die Tüte.
»Ich schätze, daß es CC nicht besonders leichtfallen wird, das hier zu erklären. Das ist ein Glock-Magazin, Annmari. Das in einem schlampig montierten Safe in Mabelles Wohnung in Kampen lag. Hab mir eben bestätigen lassen, daß es wirklich zu einer Glock gehört. Auf Carl-Christians Namen ist keine solche Waffe registriert, und in seiner Wohnung befand sich auch nichts, das Ähnlichkeit mit einer Pistole gehabt hätte. Revolver, das schon, ein legaler sogar, das hab ich auch schon überprüft. Aber keine Pistole, nur diese Glock in Mabelles Wohnung sowie eine ganze Schachtel voll neun Millimeter Parabellum. Subsonis. Zur Verwendung mit Schalldämpfer.«
Annmari schien diese neuen Auskünfte gar nicht richtig verkraften zu können. Als acht Tage zuvor in der Eckersbergs gate vier Tote gefunden worden waren, hatten sie alle sich auf Ermittlungen vorbereitet, die Monate oder schlimmstenfalls Jahre dauern würden. Mordfälle brauchten immer ihre Zeit. Sie hatte es noch nie mit einem Vierfachmord zu tun gehabt, aber sie war davon ausgegangen, daß sie die Ermittlungen breit anlegen müßten: eine langsame und sorgfältige Entwicklung, die vielleicht in ferner Zukunft zu einer Anklage führen würde. In der
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