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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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nächster Zukunft erwartete Gelder hin. Aber es kam nie etwas dabei heraus. Früher, als Carl-Christian noch jünger gewesen war, hatte er sich bisweilen genauer mit den vagen Reden des Onkels befaßt. Er hatte dann direktere Fragen gestellt, aber die Antworten waren selten konkret ausgefallen. Und die ganze Zeit hatte er sich als Kunsthändler bezeichnet, doch Carl-Christian hatte nie gehört, daß er auch nur ein einziges Bild verkauft hätte.
    Es lag auf der Hand, daß Alfreds Lebensstandard nicht mit seinen Einkünften zusammenpaßte. Carl-Christian hatte die vage Vorstellung, daß seine lange vor seiner Geburt verstorbenen Großeltern den beiden Söhnen eine hübsche Erbschaft hinterlassen hatten. Die Töchter hatten sich mit sehr viel weniger zufriedengeben müssen. Die Alten waren in der Textilbranche tätig gewesen, und da sie während des Krieges mit allen Seiten Geschäfte gemacht hatten, konnten sie ihren Kindern bei ihrem Tod 1952 wohl einen guten Start in die eigene Karriere ermöglichen. Aber dieses Geld mußte trotzdem längst verbraucht sein.
    Alfred Stahlberg hatte etwas Vages, Undurchschaubares an sich. Sogar Hermine, die Lieblingsnichte, die eigentlich eher seine Tochter zu sein schien als die ihres Vaters Hermann, konnte ab und zu eine auffällige Abneigung gegenüber allem an den Tag legen, was mit dem Onkel zu tun hatte. Als sie noch klein gewesen war, Carl-Christian dagegen bereits ein Teenager, hatte er ab und zu darüber gestaunt, wie rasch bei ihr warme Zuneigung zu dem bezaubernden, redseligen Taugenichts mit trotziger Ablehnung wechseln konnte. Später hatte Carl-Christian aufgehört, sich darüber Gedanken zu machen. Er wußte noch immer nicht, was er von Alfred zu halten hatte. Er begriff auch nicht, warum sein Vater sich von dem jüngeren Bruder soviel gefallen ließ, obwohl sie einander doch eindeutig nicht nahestanden. Die Menschen lachten über Alfred, sie lachten ihn aber auch an. Sie redeten über ihn, aber gern auch mit ihm, und alle genossen die Anekdoten, die er aus dem Ärmel schütteln konnte. Lügengeschichten, fast poetisch in ihrer offenkundigen Übertreibung seiner Leistungen, seiner Geistesgegenwart und seines Geschäftssinnes. Alfred war inzwischen zwar zu fett und zu kräftig, aber noch vor wenigen Monaten war er trotzdem ein ziemlich eleganter Mann gewesen.
    Jetzt roch er streng, und Carl-Christian wollte nicht noch länger neben ihm stehen.
    »Ich muß nach Hause«, murmelte er, fast unhörbar.
    Als er sich in der Tür umdrehte, sah er, daß Alfred sich an Hermines Bett gesetzt hatte. Er hielt ihre Hand. Als sie die Augen ein wenig öffnen konnte, lächelte sie.
    Erik Henriksen starrte die Küche in der Kruses gate an.
    »Verdammt«, sagte er endlich. »Das ist ja vielleicht Klasse.«
    »Guter Junge!«
    Marry grinste breit und schenkte ihm eine großzügige Portion Punsch ein. Sie gab Nüsse und Rosinen dazu, bis das Ganze eher aussah wie ein Brei als ein Getränk. »Bißchen was zum Aufwärmen«, fügte sie zur Erklärung hinzu, als sie die Kreation mit Schnaps aus einer Flasche Sechzigprozentigem krönte.
    »He«, protestierte Erik und wollte die Hand auf den Becher legen. »Es ist doch erst zwölf!«
    »Ein Schnaps am letzten Adventssonntag hat noch nie jemandem geschadet«, erklärte Marry und knallte einen geflochtenen Korb voller Plätzchen auf den Tisch.
    »Hier, iß. Selbstgebacken.«
    »Danke«, murmelte Erik und biß pflichtschuldigst in einen Lebkuchenmann, als Marry die Küche verließ und die Tür hinter sich zuzog.
    Hanne hielt sich den Zeigefinger an den Mund und schlich zum Kühlschrank. Zwei Minuten darauf hatte sie vier riesige Butterbrote geschmiert.
    »Ich hab Hunger«, flüsterte sie. »Aber Marry hätte sofort für eine ganze Kompanie Frühstück gemacht, wenn ich ihr etwas gesagt hätte. Ich habe behauptet, wir hätten vorhin gegessen. Deshalb …«
    Sie zeigte auf den Plätzchenkorb.
    »Ihr seid wirklich lieb. Daß ihr euch so um sie kümmert.«
    »Wir sind eigentlich gar nicht weiter lieb«, sagte Hanne. »Sie arbeitet wie ein Schwein. Hält die ganze Wohnung sauber und kocht fast immer. Und anderen Lohn als Kost und Logis will sie absolut nicht annehmen.«
    »Ihr seid trotzdem lieb«, beharrte Erik. »Ich würde nie im Leben eine alte Nutte aufnehmen und ihr eine solche Chance geben. Auch, wenn sie dir damals bei dem Fall mit dem Koch geholfen hat. Weißt du noch, wie sie den wichtigsten Beweis vom Tatort an sich gerissen hatte? Hast du sie

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