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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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damit das mal gesagt ist. Aber vielleicht ist es ja trotzdem eßbar. Du mußt loslegen, Hanne. Sonntags essen wir um drei. Wir sind ja keine Kanacken, die nachts fressen.«
    Sie knallte eine riesige Tüte voller Lammkoteletts auf die Anrichte.
    »Na, was ist?«
    »Ich esse gern mit«, sagte Erik.
    »Na gut«, sagte Billy T. »Wenn Marry darauf besteht.«
    »Das tut sie aber nicht«, sagte Hanne und fing an, Kartoffeln zu schälen.
    Ein Mann versuchte, Wechselgeld entgegenzunehmen und gleichzeitig in seine Wurst zu beißen. Die Kassiererin fand das unhöflich. Der Kapuzenpullover des Kunden unter der offenen, zerlumpten Fliegerjacke war fleckig. Sein Gesicht war von seiner Drogensucht entstellt, es war mager und wies mehrere offene, nässende Wunden auf. Sie legte das Geld auf den Tresen. Wütend pöbelte er mit vollem Mund.
    »Scheiße! Ich will das Geld in die Hand! Ich bin verdammt noch mal kein Tintenfisch! Siehst du nicht, daß ich fresse?«
    Er zitterte und mußte einen Fuß anders stellen, um im Gleichgewicht zu bleiben. Dabei stieß er mit dem Ellbogen ein Kind an, das auf dem Arm seiner Mutter saß. Ein dicker Ketchupklacks fiel auf den Mantel der jungen Frau. Das Kind schrie wie besessen los. Der Mann in der Kutte schimpfte weiter und versuchte, das Geld aufzulesen. Die Frau hinter dem Tresen hatte jetzt sichtlich Angst, sie wich zurück und sah sich hilfesuchend um.
    »Hey! Du da!«
    Ein kräftiger Mann von Mitte Dreißig bohrte dem Junkie einen Finger in den Rücken.
    »Immer mit der Ruhe, ja?«
    Der Wurstesser drehte sich langsam um. Es sah aus, als müsse er sich alle Mühe geben, um seine Umgebung klar sehen zu können. Plötzlich knallte er dem anderen seine Essensreste vor die Brust.
    »Misch du dich hier nicht ein«, nuschelte er und wollte gehen.
    Als Antwort traf ihn eine Faust auf den Mund. Zwei Zähne brachen ab. Beim Sturz riß er drei Schachteln Pralinen und ein Stativ mit Klatschillustrierten mit sich.
    Das Kind schrie ärger denn je, und die Mutter weinte verängstigt.
    Die Verkäuferin hatte schon längst die Polizei alarmiert.
    Mabelle Stahlberg legte sich gerade eine neue Wahrheit zu. Sie lag auf dem Boden ihrer Wohnung in der Odins gate und hörte Musik, während sie sich eine alternative Wirklichkeit schmiedete, eine Geschichte, von der sie sich und auch andere überzeugen können würde.
    Sie hatte schon früher meditiert, ehe sie Carl-Christian gekannt hatte, vor ihrem Leben mit der Familie Stahlberg, damals, als alles und alle sich gegen sie verschworen hatten und ihr nichts glücken wollte. Immerhin war sie hübsch gewesen, und das war schon mal ein guter Start in einer Welt, die dem Oberflächlichen huldigte.
    Schon mit vierzehn Jahren hatte sie ihren ersten Auftrag als Model erhalten. Es war nichts Großes gewesen, ein kleiner Werbeauftritt für einen Versandhauskatalog, aber doch überwältigend für ein Mädchen, das plötzlich begriff, daß ein gutes Aussehen die Flucht aus einer engen Wohnung ermöglichen konnte, wo eine invalide Mutter sich langsam zu Tode rauchte und May Anita und drei kleinere Geschwister sich selber überließ. Mit siebzehn hatte sie festgestellt, daß sie immer mehr ausziehen mußte, um neue Aufträge zu bekommen. In einem schmuddeligen Lokal in Sagene mit verhängten Fenstern und einer verdreckten Eckbadewanne sagte sie endlich Nein. May Anita wollte zu Mabelle werden. Sie hatte keine Ahnung, wie sie das schaffen sollte. Sie hatte keine Wohnung. Ihre Geschwister waren auf Pflegeheime verteilt, aber das Jugendamt hatte glücklicherweise keine großen Versuche unternommen, um etwas für die Älteste zu tun, schließlich wurde sie in vier Monaten achtzehn. May Anita hatte nichts, aber zum ersten Mal in ihrem jungen Leben begriff sie, daß sie eine gewisse Intelligenz besaß. Es war eine intuitive und von keinerlei Kenntnissen beschwerte Intelligenz, aber sie hatte sie doch vor Drogen bewahren können und sie dazu gebracht, bei Porno eine Grenze zu ziehen. In den folgenden sechs Jahren lebte sie von der Hand in den Mund. Hier ein kleiner Job, dort eine Arbeit, vielleicht für einen alten Bekannten, der sich von einem armen Mädchen, das trotz allem schöne Augen und einen annehmbaren Körper besaß, zur Freigebigkeit bewegen ließ.
    May Anita schaffte es niemals richtig. Aber sie lernte viel.
    Dann stieß sie eines Nachts auf Carl-Christian, er war betrunken. Sie selbst war nüchtern, wie immer. Der Mann hatte etwas Weiches, etwas Niedliches und wirklich

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