Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Hilfloses an sich. Er hielt vor dem Seven Eleven im Bogstadvei den Kopf über eine Mülltonne.
May Anita hatte den ihr unbekannten jungen Mann nach Hause und ins Bett gebracht. Sie sah keinen Grund, ihn zu verlassen, als er in das breite Bett mit der seidenen Bettwäsche gefallen war. Im Gegenteil, sie blieb. Drei Tage später wurde sie Carl-Christians Geliebte.
Mit CC s Hilfe wurde sie zu Mabelle. Sie ließ ihre Nase begradigen, wie so viele Fotografen es ihr geraten hatten. Im gleichen Aufwasch waren ihre Lippen üppiger geworden, und als das alles geschehen war, machte er ihr einen Heiratsantrag.
Auf ihre Weise mochte Mabelle ihn gern. Er betete sie an. Seine Furcht, seine Angst, sie könnte ihn verlassen, gaben ihr Sicherheit. Dieses Ungleichgewicht zwischen ihnen, diese Schieflage in ihrer Beziehung, war auf eine gewisse Weise befriedigend. Sie war abhängig von seinem Besitz. Er aber war emotional abhängig von ihr.
Sie mußte ihr Leben natürlich schönreden, als sie Carl-Christian kennenlernte. Nach und nach wurde sie wahr, die Geschichte, die sie so oft aufgetischt hatte, mit immer größerer Präzision und immer mehr Details. Es war wie mit Schminke, das hatte sie sich ab und zu überlegt, wie bei einer winzigen kosmetischen Operation: Wenn sie gut durchgeführt wurde, konnte nachher niemand mehr sehen, wie es früher gewesen war.
Sie log nicht. Sie erschuf die Wirklichkeit neu.
Mabelle Stahlberg hatte schon als Kind begriffen, daß Lügen durchaus zur Wahrheit werden konnten, wenn man sich in den Betrug hineinstürzte, daran festhielt und sich niemals beirren ließ. Wahrheit war im Grunde etwas für die, die sie sich leisten konnten, und Mabelle Stahlberg hatte durchaus nicht vor, jemals wieder zu May Anita Olsen zu werden.
Hermann und Tutta hatten den Tod verdient. Sie hatten es nicht anders gewollt. Hermann war schlecht, er war bis ins Mark hinein egoistisch und böse. Er war rachsüchtig, stur und eigensinnig. Hermann war ein Dieb, der vorhatte, ihnen ihr Leben zu rauben. Er wollte Carl-Christian bestehlen, seinen leiblichen Sohn, der sich jahrelang den Wünschen und dem Willen seines Vaters ergeben und sich abgearbeitet hatte. Tutta war nur ein törichter Anhang ihres Mannes, eine willenlose Nickpuppe. Sie mußte selbst die Verantwortung dafür tragen, daß sie sich der Ungerechtigkeit, der Übervorteilung nicht widersetzt hatte. Hermann und Tutta waren selbst schuld an ihrem Tod.
Und das galt auch für Preben.
Mabelle schloß die Augen und versuchte, sich zu entspannen. Sie war jetzt müde, fast erschöpft. Sie wollte nicht an Preben denken.
Sie hatten nichts verbrochen.
Und das war jetzt fast schon wahr.
»Aber ist das nicht der alte Snifflappen persönlich! Ich dachte, du hättest schon längst den Geist aufgegeben!«
Billy T. knallte dem Festgenommenen eine Faust in den Rücken.
»Ssiehsst du nicht, dassss ssie mir die Ssähne aussgesslagen haben«, lispelte der Mann in der Kutte und bleckte die noch vorhandenen Zähne. »Ssei nich sso gemein!«
»Du hattest doch nicht mehr so viele, daß es noch eine Rolle gespielt hätte«, sagte Billy T. und setzte sich dem anderen gegenüber an den Tisch im Vernehmungsraum. »Aber du scheinst ja auch nicht besonders viel zu kauen. Oh Scheiße, was bist du mager geworden!«
»Krank«, murmelte Snifflappen und fuhr sich über die geschwollene Oberlippe. »Verdammt krank. Du sstinksst nach Wein.«
»Ich hab heute frei«, sagte Billy T. freundlich. »Hab eben bei einer netten Familie gegessen. Wollte eigentlich gar nicht herkommen. Aber dann hat jemand angerufen, weißt du. Und behauptet, du wolltest unbedingt mit mir reden. Und das ist hoffentlich …«
Seine Stimme steigerte sich zu einem Brüllen:
»Wichtig!«
Snifflappen fuhr so heftig zusammen, daß er mit dem Kopf gegen die Wand knallte.
»Ich bin krank. Und du ssiehsst ja, dass ich blute.«
»Laß mich mit dieser Schweinerei in Ruhe, das sag ich dir. Ich hab gehört, du hast oben in der Vogts gate in einem Kiosk Scheiß gebaut. Hast die Kundschaft mit Blut versaut und so. Kleine Kinder und anständige Damen. Was soll denn das nun wieder, Snifflappen? Was sind denn das plötzlich für Manieren?«
»Das war Ketchup«, jammerte Snifflappen. »Kein Blut.«
»Und dann hattest du nicht Grips genug, um das hier loszuwerden, ehe unsere Leute auftauchten.« Billy T. schnalzte tadelnd mit der Zunge und hob eine kleine Plastiktüte mit unverkennbarem Inhalt hoch.
»Drei Gramm? Dreieinhalb?
Weitere Kostenlose Bücher