Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
Vom Netzwerk:
mit eigenen Ohren hören.«
    Dann steckte er das Notizbuch in die Brusttasche und erkundigte sich danach, welcher Polizeijurist gerade Überstunden machte. Sonst würde er einen anrufen müssen. Obwohl es nach sieben Uhr war.
    Der alte Mann im Wald stand beim Holzschuppen und säuberte den alten Eisbohrer von Reisigstücken und Schmutz. Er hatte ihn seit vielen Jahren nicht mehr benutzt. Eigentlich angelte er gar nicht gern, und im Winter erst recht nicht. Eine stille Sommernacht am See konnte nett sein, mit Wurm und Schwimmer und Kaffee über dem Feuer und ab und zu der Begegnung mit einem Wanderer, der sich auf ein Schwätzchen niederließ. Er hatte jedoch nie begriffen, wozu es gut sein sollte, neben einem Loch im Eis zu sitzen und wie ein Hund zu frieren.
    Aber sein Entschluß stand fest. Er wollte versuchen, festzustellen, was der Fremde hier getrieben hatte. Vermutlich würde es nichts bringen. Vermutlich würde er sich gewaltig blamieren. Es wäre aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin unmöglich, etwas zu finden. Aber trotzdem war etwas in ihm erwacht, eine Neugier, die sein Blut ein wenig schneller fließen ließ. Vage fühlte er sich an alte Tage erinnert, an Wanderungen durch fremde Häfen, auf Landurlaub oder weil er sein Schiff verpaßt hatte, was immer häufiger vorgekommen war, immer häufiger war er betrunken und abgebrannt gewesen, aber immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten. Das Leben im Wald stand still, so wollte er es, dafür hatte er sich entschieden. Aber die Störung seines Alltags durch den Fremden, dieses plötzliche Element von Unverständlichem und Prickelndem, war ihm trotzdem willkommen, wie ein Weihnachtsgeschenk.
    Niemand würde ihn sehen. Er würde am 23.   Dezember bis nach neun Uhr abends warten, wenn alle braven Bürger zu Hause waren und den Weihnachtsbaum schmückten. Er würde seine Zeit zu etwas nutzen, das sich sicher als Blödsinn erweisen würde, und da sollte lieber niemand etwas mitbekommen.
    Der Alte führte in der Luft eine Probebohrung durch und fuhr sich danach nachdenklich über die Bartstoppeln.
    An dem Bohrer war nichts auszusetzen.
    Zwei Stunden vor Mitternacht wurde Snifflappen im Arrest tot aufgefunden. In seinen entsetzlichen Entzugszuständen war er mit dem Kopf gegen die Wand gerannt. Der Arzt meinte, er müsse gewaltig Anlauf genommen haben, der Schädel war in zwei Teile zerbrochen. Als Billy T. davon erfuhr, schloß er sich in seinem Büro ein. Ganz allein.

Montag, 23.   Dezember
    Außer Hanne Wilhelmsen hätte wohl niemand ein solches Verhör durchsetzen können. Billy T. versuchte, sein Lächeln zu verbergen, als sie ins Krankenzimmer geführt wurden. Noch eine halbe Stunde zuvor hatte es sich unmöglich angehört. Der Stationsarzt hatte sie so herablassend behandelt, daß Hanne in die Luft gegangen war. Als der Weißkittel dann endlich seine Zustimmung gegeben hatte, war das aufgrund von polizeilicher Arroganz und versteckten Androhungen von allerlei Unannehmlichkeiten in »ernsthaftem juristischem Zusammenhang« geschehen. Der bejahrte Arzt hatte an seinem Stethoskop herumgefummelt. Ein Schmuckstück, hatte Billy T. gedacht, ein Kastenzeichen, das Distanz und Erhabenheit zeigen soll.
    Hermine war bei Bewußtsein.
    Sie wurden mit totaler Gleichgültigkeit empfangen. Hanne stellte sich und Billy T. vor. Die Patientin zuckte kaum mit der Wimper, und Billy T. wußte nicht so recht, ob sie überhaupt begriffen hatte, wer sie waren.
    »Polizei«, wiederholte er und lächelte aufmunternd. »Wir kommen von der Polizei.«
    Sie saß halbwegs aufrecht in einem verstellbaren Bett. Ihre Haare waren verfilzt und ungepflegt, ihre Haut war fast so bleich wie das Bettzeug. Eine Art Ausschlag um den Mund, kleine Pusteln in einem Schmetterlingsmuster. Billy T. dachte an seine Tochter, die allergisch gegen Schnuller war. Hermine sah aus, als sei auch ihr so ein kindlicher Trost zuteil geworden, den sie nicht vertragen konnte.
    Trotzdem war sie hübsch, auf eine wehrlose Weise. Ihre Haare waren verfilzt, fielen aber weich und blond um ihr schmales Gesicht. Ihre Augen waren ausdruckslos, aber groß und blau. Allmählich schien Hermine Stahlberg wieder zu sich zu kommen und jetzt lächelte sie Billy T. fast kokett an.
    »Das habe ich gehört«, sagte sie. »Ich nehme an, daß es um meine Eltern geht. Und um Preben, ja. Ich habe schon auf Sie gewartet. Es geht mir nicht gerade gut, wie Sie sehen …«, ein Blick voller Selbstmitleid wanderte zum Tropf hoch,

Weitere Kostenlose Bücher