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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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überhaupt nur träumen konnten. Und außerdem ist es so ungefähr die einzige, die wir haben. Ich fahre.«
    »Und wohin?«
    »Zum Verlag.«
    »Zum Verlag? Was sollen wir da?«
    »Uns mehr über Sidensvans erzählen lassen.«
    »Sidensvans?«
    Billy T. stieß mit dem rechten Arm gegen das Armaturenbrett, er saß sehr unbequem in dem engen Dienstwagen.
    »Du läßt nicht locker«, murmelte er und versuchte, den Sitz nach hinten zu schieben. »Glaubst du noch immer, daß der Schlüssel zu diesem Fall bei Sidensvans liegt? Herrgott …«
    Irgend etwas brach unter dem Sitz ab, der rückwärts schoß. Billy T. biß sich bei dem plötzlichen Ruck heftig auf die Zunge.
    »Au! Scheiße! Ich blute!«
    »Armer Kleiner«, sagte Hanne lächelnd und fand endlich den ersten Gang.
    Alfred Stahlberg war gewaltig verkatert, obwohl es erst kurz vor halb elf morgens war. Sein Alkoholkonsum am Vorabend hatte ihn immerhin gut einschlafen lassen. Oder ihn betäubt, dachte er umnebelt. Er konnte sich eigentlich nur noch daran erinnern, daß er verzweifelt nach noch mehr Wodka gesucht hatte.
    Sein Gehirn schien in seinem Schädel zu pulsieren. Bei jedem Stoß kroch ein Schmerz den Nacken hinunter und erschwerte jede Kopfbewegung. Er hatte seit vier Tagen nicht geduscht, und sein Hemd war verdreckt. Erst jetzt nahm er seinen eigenen Gestank wahr, streng und widerlich. Er schnitt seinem Spiegelbild eine Grimasse. Bei dieser kleinen Bewegung strahlte der Schmerz bis in seine Augen. Er kleckerte, als er Wodka in ein Wasserglas gab. Das Glas war mit einem Zug geleert.
    Das half ein wenig.
    Er goß noch einmal nach. Die Kopfschmerzen ließen langsam nach. Er versuchte, tief und ruhig zu atmen. Er brauchte eine Dusche. Er brauchte saubere Kleidung. Er war zum Umfallen müde, obwohl er mindestens acht Stunden verschlafen hatte, seit er vor zehn Stunden zuletzt auf die Uhr geschaut hatte.
    In der Dusche starrte er an sich hinunter. Das Wasser strömte über seinen bleichen, schwammigen Leib, langsam, fast zäh, als sei seine Haut klebrig. Alfred war der Häßliche. Der unbrauchbare kleine Bruder. Der Schwache, der, der sein väterliches Erbe vergeudet hatte und dem nichts gelungen war.
    Er war ein Narr, und er hatte viel Kraft aufgewandt, um das einzusehen.
    Und es war soviel zu erledigen.
    Irgendwer mußte jetzt die Führung übernehmen. Irgendwer mußte die Familie lotsen, sie durch die Wildnis aus Gesetzen und Klatsch führen, in der sie steckten, und die Sache in den Griff bekommen. Und dieser Lotse würde er sein. Er war der letzte Mann in der ältesten Stahlberg-Generation. Diese Vorstellung belastete ihn, er sank in die Knie, schlug dabei aber mit dem Kopf gegen die Fliesen und mühte sich wieder auf die Beine. Unter dem Wasser schien er nicht richtig sauber zu werden. Er konnte unter seinem Schmerbauch nicht einmal seine eigenen Geschlechtsorgane sehen. Er kratzte sich mit beiden Händen, kratzte und schürfte, bis sich unter den Nägeln tote Haut angesammelt hatte und dünne Blutschlieren über seinen Wanst flossen.
    Alfred war ein mißratener Mann, und dieses Wissen zu verdrängen hatte ihn erschöpft.
    Jetzt hatte er das heiße Wasser aufgebraucht. Er taumelte aus der Dusche und versuchte, seinen Körper mit einem gewaltigen Badetuch zu verdecken. Alfred Stahlberg war ein Narr, er war ein Versager, und er war häßlich. Das war ihm klar, und er schnaufte und weinte voller Selbstverachtung.
    Daß er auch ein Verbrecher war, wollte er jedoch nicht sehen.
    Die Verlagsangestellte Åshild Meier war eine kleine Frau. Sie erinnerte Hanne an ein Hermelin, mit raschen Bewegungen und einem Blick, der hin und her jagte, während sie versuchte, für ihre beiden Gäste Platz frei zu räumen.
    »Tut mir leid, daß es so chaotisch ist«, sagte sie, hob einen Stapel Manuskripte von einem Stuhl und legte ihn auf einen ohnehin schon überfüllten Schreibtisch. »Mein Enkel. Sag der Polizei mal guten Tag, Oskar!«
    Oskar mochte anderthalb Jahre alt sein, er saß unter dem Schreibtisch und hatte offenbar seine Zweifel, ob es tatsächlich eine gute Idee wäre, die Fremden zu begrüßen. Billy T. bückte sich, schnippte mit den Fingern und machte seltsame Geräusche. Der Junge gluckste. Hanne sagte vorsichtig »hallo« und lächelte, als das Kind hervorschaute. Oskar brach in Tränen aus. Seine Großmutter nahm ihn auf den Arm und verließ das kleine Büro.
    »Ich und Kinder«, sagte Hanne und zuckte mit den Schultern.
    »Leg dir eins zu«, sagte Billy T.

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