Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
»Das hilft.«
»Morgen ist doch Heiligabend«, sagte Åshild Meier, die ohne das Kind zurückkehrte. »Die meisten hier haben schon Urlaub. Es ist also nicht weiter schlimm. Das mit Oskar, meine ich. Er ist ab und zu hier, weil …«
»Schon in Ordnung«, sagte Billy T. »Ich habe selber fünf Kinder. Weiß, wie das ist. Großeltern sind da schon toll.«
»Fünf? Himmel!«
»Und die haben zusammen nicht weniger als zwölf Großelternteile«, sagte Hanne säuerlich.
Billy T. wurde ein wenig rot und machte sich an einer Kruste auf seinem linken Handrücken zu schaffen.
Er läßt sich seit ein paar Jahren viel mehr gefallen, dachte Hanne und hätte ihre Worte gern zurückgenommen.
Zu Beginn ihrer Freundschaft, in den ersten Jahren auf der Polizeischule und später im Dienst, war er souverän gewesen, ein athletischer Mann, der jedes Zimmer auszufüllen schien, das er betrat. Nicht nur wegen seiner zwei Komma zwei Meter auf Socken. Billy T. war der perfekte Polizist. In der Innenstadt geboren und aufgewachsen, im Zaum gehalten von einer hart arbeitenden alleinstehenden Mutter mit altmodischen Werten und handfesten Erziehungsmethoden. Sie hatte den Knaben vor den meisten Fallen bewahrt, in einer Umgebung, in der nur der halbe Freundeskreis mit dreißig noch am Leben gewesen war. Billy T. kannte Oslo besser als alle anderen in der Truppe. Er war ein Rowdy, der die Straße im Griff hatte und unschätzbare Kenntnisse über Oslos Gauner besaß. Um ein Haar wäre er ja selber einer geworden.
Jetzt war die Wache in »Polizeidistrikt Oslo« umbenannt worden, die Polizeischule in »Hochschule«, und die richtig großen Verbrecher kamen schon längst nicht mehr aus Oslo Ost. Billy T. war in gewisser Weise die Luft ausgegangen. Sogar die vielen Kinder, die er sich zugelegt hatte, jedes mit einer anderen Mutter, waren zu einer Art Stigma geworden. Jetzt trat er gedämpfter auf, und Hanne hatte ihn schon zweimal dabei ertappt, daß er verschwiegen hatte, daß seine Kinder unterschiedliche Mütter hatten.
»Aber wir könnten vielleicht anfangen? Was wollen Sie wissen?«
»Knut Sidensvans«, sagte Hanne zerstreut.
»Ja, das haben Sie schon am Telefon gesagt. Das mit dem Mord ist ja wirklich entsetzlich, aber ich fürchte, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
»Haben Sie ihn gut gekannt?«
»Gut? Nein, ich glaube, das kann niemand von sich behaupten. Im Grunde war er schon ein seltsamer Mensch. Ein wenig … eigen.«
»Eigen?«
»Ja. Anders. Aber daran sind wir in dieser Branche ja eigentlich gewöhnt.«
Åshild Meier lachte kurz und laut.
»Eigentlich war er ganz reizend. Es war nur nicht leicht, das zu entdecken. Außerdem war er für uns unersetzlich. Als schreibender Mensch, natürlich, vor allem aber als Lektor.«
»Worin besteht diese Arbeit eigentlich?«
»Hier in unserer Abteilung aus allem möglichen«, erklärte die Verlagsangestellte. »Wir haben natürlich Lektoren, die nur mit der Sprache arbeiten. Sie gehen die Manuskripte durch, korrigieren sie sprachlich. Machen sie einfach besser. Aber da unsere Bücher oft von tatsächlichen Ereignissen handeln, setzen wir auch Lektoren auf den Inhalt an. Um festzustellen, ob ein eingereichtes Manuskript oder ein Buchvorschlag die Herausgabe lohnen, und später im Prozeß als eine Art Helfer oder Zensor, wenn Sie so wollen. Und dann brauchen wir ja auch juristische Ratgeber. Um niemanden zu beleidigen, zum Beispiel. Also …«
»Sidensvans war also so eine Art Tatsachenlektor«, fiel Hanne ihr ins Wort.
»Ja.«
»Für welchen Bereich?«
Jetzt lachte Åshild Meier herzlich.
»Ja, das ist eine gute Frage. Der Mann hat eigentlich hinten in der Schulbuchabteilung angefangen.«
Sie zeigte vage in die Luft, als befinde die Schulbuchabteilung sich gleich hinter Billy T.
»Er ist … oder war, sollte ich jetzt vielleicht sagen … von Haus aus Elektriker. Hat viele Jahre in der Berufsschule in Sogn unterrichtet und vor zwanzig Jahren auch selber mal ein Lehrbuch geschrieben. Ein sehr gutes offenbar. Dann fing er als Lektor bei den Schulbüchern an, bis jemand entdeckte, daß er über ein ungeheures Wissen verfügte. Knut Sidensvans war wirklich ein Original. Und durchaus nicht leicht im Umgang. Wir hatten aber privat auch keinen.«
»In welchen Bereichen hat er dann gearbeitet«, fragte Hanne. »Hier bei Ihnen, meine ich.«
»In vielen.«
Åshild Meier suchte in den vollgestopften Regalen an der Längswand.
»Autos.«
Sie reichte Hanne ein Prachtwerk über
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