Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
weniger realistischen Hypothesen. Bei den vielen Besprechungen, die abgehalten wurden, um möglichst viele Kollegen auf den neuesten Stand zu bringen, hatte er widerstrebend erkennen müssen, daß er immer weniger Lust hatte, sich zu äußern. Er hinkte die ganze Zeit hinterher. Aber er wußte doch immerhin, wer Hermine war.
Plötzlich sah Ronny auf und grinste.
»Die hat sich ganz schön umgetan, weißt du. Und jetzt protzen alle damit, daß sie sie kannten und daß sie … die reden ja alle nur noch über deinen Fall.«
»Das ist uns auch schon aufgefallen, ja. Glaubst du, daß an dem ganzen Gerede überhaupt etwas dran ist?«
»Kaum. Du kennst doch die Szene, Billy T. Fast genauso gut wie ich.«
Das stimmte zwar nicht mehr, aber Billy T. nickte zustimmend.
»Die Leute machen sich so verdammt wichtig«, sagte Ronny. »Es wird viel über Waffenverkauf und allerlei Dreck gemunkelt. Und daran kann ja durchaus etwas Wahres sein. Im Moment kommst du leichter an Waffen als an Dope. Die Jugos, zum Beispiel, die kriegen doch schneller Knarren zusammen als ihr.«
»Was nun wieder nicht viel heißt …«
»In der Hinsicht hinkt ihr gewaltig hinterher. Ihr gebt euch jede verdammte Mühe, den Drogenhandel zu stoppen, mit Hunden und Zöllnern und Spitzeleien und Ermittlungen und internationaler Zusammenarbeit. Nicht, daß das besonders viel hilft, aber an Mitteln fehlt es da ja offenbar nicht. Die Jungs, die vom Balkan rüberkommen, mit der Karosserie voller Waffen und Weib und Kind auf der Rückbank als Tarnung, die entdeckt ihr aber nicht. Ich würde eine halbe Stunde brauchen, Billy T. Eine halbe Stunde! Sag mir, welche Waffe du brauchst, und ich besorg sie dir in dreißig Minuten. Diese Stadt schwimmt in Knarren. Schau her.«
Er bückte sich und nahm eine Zeitung von der Ablage unter dem Tisch. Die aufgeschlagene Seite enthielt einen Artikel über in der Hauptstadt beschlagnahmte Waffen. Das Bild zeigte einen besorgten Kriminalchef Jens Puntvold, der mit gebieterischer Hand auf eine gewaltige Sammlung von Schußwaffen wies.
»Das ist euer Fang allein aus den letzten vierundzwanzig Monaten«, sagte Ronny. »Das kommt ja schließlich nicht aus dem Nichts.«
»Du hättest zur Polizei gehen sollen, Ronny. Dann wär die Kiste längst geklärt.«
Ronny achtete nicht auf diese Ironie. Er lächelte, auf eine neue, andere Weise.
»Das hatte ich ja eigentlich auch vor, Billy T. Mit dir zusammen. Weißt du noch?«
Billy T. starrte auf die Freitagsausgabe von Aftenposten, die passenderweise in der Mitte der vier Seiten über den Mord in der Eckersbergs gate aufgeschlagen war.
Natürlich wußte er das noch.
Das Freizeitgelände Kuba im Frühling. Der Akerselv mit hohem Wasserstand zwischen den glitschigen Ufern. Zwei Jungs mit kurzgeschorener Sommerfrisur und Blechrevolvern in den Cowboygürteln, die schräg über ihre mageren Hüften hingen. Sheriffsterne, von denen die Goldfarbe abblätterte. Ronny besaß einen Cowboyhut mit kurzen Fransen an der Krempe, sein Vater war Seemann und endlich nach Hause gekommen. Billy T. hatte ein Ekzem auf dem Rücken. Es juckte und wurde immer schlimmer, weil die Seifenfabrik ihre Abwässer in den Fluß leitete. Er durfte dort nicht baden, seine Mutter verpaßte ihm Ohrfeigen, wenn er ins Wasser ging, aber sie badeten trotzdem. Sie schwammen in der starken Strömung und ließen sich in den Wasserfall bei Nedre Foss fallen und stießen sich an den Steinen blutig, während sie sich kringelig lachten. Billy T. traf mit Pfeil und Bogen eine Ente. Sie brieten sie ungerupft auf einem verbotenen Feuer und fütterten damit die Katzen, streunende, magere Tiere, die das angebrannte Entenfleisch verschlangen und den Jungen dann hinterherliefen.
»Wir wollten Bullen werden«, sagte Ronny. »Alle beide. Aber so ist es nicht gekommen.«
Billy T. ließ seinen Blick durch die Wohnung wandern. In diesem Zimmer gab es kaum einen Gegenstand, den er selbst sich hätte leisten können. Sogar das Obst in der übervollen Schüssel war unerreichbar für ein Polizistengehalt, von dem der Unterhalt für vier uneheliche Kinder abgezogen wurde. Ronny hatte neun Jahre im Gefängnis verbracht. Insgesamt, seit seinem neunzehnten Lebensjahr. Jetzt waren sie beide im mittleren Alter. Billy T. schlug die Hände vors Gesicht und versuchte, gleichmäßig zu atmen.
»Aber deswegen bist du eigentlich nicht gekommen, um danach zu fragen«, sagte Ronny.
»Doch«, wollte Billy T. sagen. Ich bin gekommen, weil ich wissen
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