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Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Titel: Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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wollte es wiedergutmachen, indem sie ihm reinen Wein einschenkte, indem sie zugab, dass es nicht darauf angekommen wäre. Selbst, wenn er in der Nacht in Whitechapel auf die Knie gefallen wäre und ihr geschworen hätte, dass er die ganze Welt nach ihr abgesucht, dass er jede Nacht in den letzten vier Jahren vor Sorge um sie und was aus ihr geworden war, nicht hatte schlafen können, hätte sie ihm dennoch nicht über den Weg getraut. Die Welt ist nicht dein Feind, hatte ihre Mutter immer gesagt – aber sie hatte nie darauf gehört.
    Doch im Moment gab es schlichtweg keinen Raum für Wohlwollen, sondern nur für diese schwarze, immer größer werdende Wut, die sich hinter ihren Augen sammelte, sodass sie sich heiß und geschwollen anfühlten. Mina holte zittrig Luft. Es ist nicht dein Fehler, ich hätte dir vertrauen sollen, dachte sie. Er war ihr jetzt so nahe, dass sein Geruch eine willkommene Abwechslung zu Asche und Ruß darstellte, auch wenn er dieses Mal nicht nach Myrrteseife roch. Sie nahm Moschus und Schweiß wahr. Schweiß, der von der Jagd nach einem Verbrecher herrührte. Ashmore hatte es zumindest versucht. Genau wie sie.
    Mina legte die Stirn an seine Schulter. Phin legte seine Hand um ihren Hinterkopf. Wie groß sein Handteller war, wie beschützt sie sich fühlte.
    Der gellende Pfiff der Lokomotive zerriss die Luft. Weshalb klang das Pfeifen eines Zuges eigentlich immer wie ein Schrei des Entsetzens? Es war, als kreischte der Zug in dem Wissen, dass ihm unerträgliche Schmerzen bevorstünden, als fürchtete er den Moment, in dem er gezwungen war, den Bauch auf die Schienen zu legen. Vielleicht täte auch sie besser daran, sich auf Höllenqualen einzustellen. Die Worte eines Lügners hatten ausgereicht, sie ihren Schmerz verdrängen zu lassen …
    Als sie merkte, dass sie einen Laut ausgestoßen hatte, presste sie schnell die Lippen aufeinander. Die Welt war voller entsetzlicher Erlebnisse, und diese Zugreise schickte sich an, ein ebensolches zu werden.
    Statt etwas zu sagen, strich er ihr über das Haar. In Hongkong hatte er Gefallen daran gefunden, sie zu belehren. Doch immer, wenn sie von Grund auf ehrlich zu ihm gewesen war, hatte er davon Abstand genommen.
    »Sie haben recht«, murmelte sie. »Ich habe keinen Grund, Bonham Glauben zu schenken.«
    »Bei einer Sache liegen Sie jedoch goldrichtig«, antwortete er. »Angesichts der hohen Temperatur des Feuers hätte der Ring eigentlich schmelzen müssen.«
    Tränen schossen Mina in die Augen. Ihre Hand wanderte an seinem Oberkörper nach oben, glitt unter seine Jacke und krallte sich in sein Hemd. Wie warm und lebendig er war. Sie spürte, wie er den Arm um sie legte und sie fest an sich drückte. Keuchend und kreischend machte der Zug einen Satz nach vorne. Eigentlich hatte sie angenommen, dass dieser Albtraum jetzt längst vorbei wäre, dass sie in der Begleitung ihrer Mutter aus Providence abgereist wäre. Wie naiv sie doch gewesen war. Ein Schluchzen stieg in ihr auf, das sie nur mit Mühe und Not herunterschlucken konnte. Draußen auf dem Gang waren Schritte zu hören.
    »Weinen Sie ruhig«, murmelte Ashmore. »Schon in Ordnung.«
    »Sie …« Ihre Stimme versagte. Sie schluckte und setzte abermals an. »Sie werden uns hören können. Und S-Sie haben gesagt, w-wir dürften k-keine Aufmerksamkeit erregen.«
    »Ist schon gut.«
    »Wieso?«, krächzte sie. »Es gibt keinen Grund zu weinen. Wenn der Ring nicht geschmolzen ist, heißt das, dass Bonham die Wahrheit sagt. Zumindest besteht die Chance dazu.«
    »Selbst wenn er nicht lügt, gibt es noch genug andere Gründe, ihm nicht zu glauben.«
    Als Mina abermals den Mund öffnete und das keuchende würgende Geräusch hörte, das sich ihren Lippen entriss, erschrak sie. Sie versuchte, tief durchzuatmen, um sich zu beruhigen, konnte jedoch nicht atmen, ohne dass das schauderhafte Geräusch tief in ihre Lungen drang und ihr das Atmen unmöglich machte. Jetzt wusste er um ihren Hang zur Hässlichkeit.
    Der Gedanke entspannte sie ein wenig. Er hatte sie gehört. Wie es schien, war sie doch nicht so gewieft, alles vor ihm verborgen halten zu können.
    Seine Hände wanderten zu ihrer Taille, hoben sie aus dem Sitz und setzten sie auf seinen Schoß, wo er sie fest an sich drückte. Weine , befahl sie sich, woraufhin ihr heiße salzige Tränen über die Wangen liefen. Einen Augenblick lang fragte Mina sich, ob sie ohnmächtig werden würde, weil ihr das Atmen so unendlich schwerfiel und die Welt um sie herum

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