Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
umbringen«, sagte sie. »Ich habe keine Ahnung, wie es mit Morphin reagiert, und schon gar nicht mit Tollkirsche.« Ihr Lachen klang rau. »Sollten Sie doch sterben, dann wenigstens mit einem heiteren Gefühl. Collins würde Sie nicht so sanft ins Jenseits entlassen.«
Collins .
Das Wort löste etwas in ihm aus. Phin spürte, wie seine Gedanken zu ihrer üblichen Ordnung zurückfanden und er wieder geradeaus denken konnte. Collins. Ja. Er befand sich in Collins’ Haus. Beim Allmächtigen, dieses Mädchen war Collins’ Stieftochter.
Er setzte zum Sprechen an, doch seine Lippen und seine Zunge fühlten sich wie Watte an. Es gelang ihm nicht, die Worte zu formen. In ihm pulsierte es. Überall. Ihr Anblick zählte nun wahrlich nicht zu den unangenehmen Eindrücken. Wie durch einen wabernden Dunstschleier beobachtete er, wie sie sich über ihn beugte. Ihre Halskette aus elfenbeinfarbenen Perlen streifte kühl und sanft sein Kinn. Sie fühlte sich so zart wie sie ihre Haut an. Ihre Schultern waren weiß und schmal wie die eines Kindes, ihre Brüste erinnerten an schneebedeckte Bergabhänge, zwischen denen ein dunkles, wohlduftendes Tal lag. Denk nach . Er rief sich das Kleid in Erinnerung, das sie trug. Es passte zu ihren Augen, schmälerte jedoch ihre Ausstrahlung. Mit einer Tasse in der Hand richtete sie sich auf. Er konnte das Trinkgefäß nicht an seinem Mund spüren, merkte aber, wie Flüssigkeit auf sein Kinn tröpfelte. Im nächsten Moment stieg ihm der beißende Geruch von Alkohol in die Nase.
»Schlucken Sie«, sagte sie.
Das Mädchen sah blass aus. Hier und da hatten sich einige Strähnen aus ihrem Dutt gelöst. Hellblonde Locken rahmten ihr Gesicht ein. Sie machte Anstalten, ihm die Nase zuzuhalten, um ihn so zum Schlucken zu zwingen, doch er drehte den Kopf weg. Was zum Teufel hatte sie vor? Sein Handgelenk war an den Bettpfosten gefesselt, und der Knoten sah verdammt professionell aus.
»Es ist nur Vin Mariani «, sagte sie. »Manche nennen ihn auch French Tonic .«
Er kannte den Wein, hatte er Collins doch weisgemacht, er wollte eine Marke für den amerikanischen Markt ins Leben rufen. Sein Hauptbestandteil war nicht Alkohol, sondern ein Sirup – aus »Koka«. Letzteres hatte er ausgesprochen, aber mit kaum wiederzuerkennender Stimme. Er war heiser, so als hätte er geschrien.
»Genau.« Ein Lachen brach aus ihr heraus, leise und wunderbar melodisch. Sie hatte ihn an dieses gottverdammte Bett gefesselt und lachte ihn aus. »Das Pulver, das Sie inhaliert haben, war ebenfalls Koka.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das sie um einiges reifer wirken ließ. »Mr Monroe, wenn Sie dieses Haus verlassen, werden Sie so voller Koka sein, dass Sie nicht einmal mehr eine Pistolenkugel spüren würden.«
Ihm war, als befände er sich seit dem Aufwachen in einem Theaterstück, dessen Handlung er nicht kannte. Immerhin konnte er jetzt sowohl die Gefühle benennen, die durch ihn pulsierten, als auch den Grund für seine zunehmenden Kräfte und den trockenen Mund. Es lag an der Droge, die sie ihm verabreicht hatte. Er hatte einiges über deren Wirkung gehört und wusste, dass diese Droge auch von Soldaten im Kriegseinsatz genommen wurde. Die Wirkung war jedoch nur von kurzer Dauer. Phin räusperte sich und konzentrierte sich auf seine Aussprache. »Sie haben mich festgebunden wie ein Spanferkel.« Immerhin klang sein Englisch amerikanisch.
»Sie haben um sich geschlagen«, erklärte sie. »Aber jetzt müssen Sie gehen.«
Ihre Worte ergaben keinen Sinn. »Wo ist Ihr Stiefvater?«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ich kann Ihnen nur raten, sich von ihm fernzuhalten. Es sei denn, Ihnen steht der Sinn danach, ihm Ihr Interesse an der Pilgrim’s Paradise zu erklären und warum Sie im Schlaf wie die englische Königin sprechen.« Sie sprach mit einer solchen Unbeschwertheit, dass er sich fragte, ob er womöglich noch immer träumte. »Und warum niemand in Chicago etwas mit Ihrem Namen anfangen kann.«
Er blinzelte und war plötzlich hellwach. »Mist verdammter.«
»Ich muss doch sehr bitten, Mr Monroe! Bis eben hielt ich Sie für einen ausgemachten Gentleman.«
Weshalb war er noch nicht umgebracht worden? Er blickte an ihr vorbei und rechnete damit, Collins zu sehen, der mit einer Pistole auf ihn zielte.
»Er ist nicht hier«, beruhigte sie ihn. »Ich habe ihm nichts gesagt. Von … was auch immer Sie vorhaben. Was genau haben Sie eigentlich vor?«
Er sah sie wieder an. Sie schenkte ihm abermals ein
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