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Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Titel: Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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»Vermutlich bei Sonnenuntergang.«
    Sie verstand sofort, was er meinte. Ihr Gesicht hellte sich auf. »So bald? Ich könnte Sie schon wieder küssen.«
    Jemand rüttelte am Türgriff. »Mina«, drang Collins’ Stimme durch die Tür. Ihr Lächeln gefror. »Bist du da drin? Warum ist die Tür verschlossen? Der Arzt ist hier.«
    Sie blickte nicht zur Tür. »Einen Augenblick«, rief sie. Ihre Stimme klang stark und ruhig. »Gehen Sie«, raunte sie Phin zu.
    Die Tür erbebte unter einem kräftigen Schlag. Collins war nicht willens zu warten. Er war dabei, sich Zutritt zu verschaffen.
    Der Abscheu, der in Phin hochstieg, verstärkte sein körperliches Unwohlsein. Er kletterte zurück ins Zimmer. »Geben Sie mir das Messer.« Als der Boden unter ihm zu schwanken begann, suchte er Halt am Fensterrahmen.
    »Seien Sie kein Narr.« Mina erinnerte sich plötzlich daran, wie Angst schmeckte. Das Gefühl war so stark, dass es ihre Stimme zum Zittern brachte. »Mir wird nichts geschehen. Er wird mir nichts tun.«
    Eine zweite, tiefere Stimme von jemandem, den Phin nicht kannte, drang zu ihnen.
    »Sie sind vermutlich mit Pistolen bewaffnet«, sagte der Mann. »Herrgott noch mal, ich will, dass er verhaftet wird!«
    Zur Hölle mit alledem. Phin griff nach dem Messer, um es Mina zu entreißen, doch sie warf es weit von sich und versetzte ihm mit beiden Händen einen kräftigen Stoß vor die Brust. Unter anderen Umständen hätte er sich nicht vom Fleck bewegt. Als sie jedoch im nächsten Augenblick gegen ihn prallte, baute er auf seine Reflexe, seine Stärke und seinen Gleichgewichtssinn – die jedoch alle dem Gift zum Opfer gefallen waren. Er verlor den Halt, fiel rückwärts und schlug mit dem Kopf gegen einen Ast. Um ihn herum brachen und splitterten Äste, als wollten sie sich ihm in den Rücken bohren. Blätter streiften sein Gesicht, Zweige peitschten ihm in die Augen, während er fiel und fiel.
    Irgendwann bekam er einen Ast zu fassen. Einen Augenblick lang hing Phin so da, einige Fuß über dem Boden baumelnd und verblüfft darüber, wie hold ihm das Glück war.
    Über ihm war ein lautes Krachen zu hören – das Bersten eines Schlosses, das Zersplittern von Holz. Er sah nach oben und erkannte im Gegenlicht Minas Silhouette. Sie schaute zu ihm herunter, ihr helles Haar schimmerte wie ein Heiligenschein. Sie war der unglaublichste Schutzengel, den er sich vorstellen konnte. Hatte sie in ihrem Schrecken ihre Entscheidung jetzt bereut oder begriffen, dass sie ihr Leben für einen Mann riskiert hatte, der es nicht verdiente, so kam diese Einsicht zu spät. Er konnte ihr nicht mehr helfen. Ihm blieb nur noch, ihren Blick zu erwidern und in ihrem Antlitz nach einem Grund zu suchen, sich ihrer später nicht mehr zu erinnern.
    Ein Arm legte sich um sie und riss sie weg. Ein Mann beugte sich aus dem Fenster und zielte mit einer Pistole auf Phin, während er ihm in die Augen blickte.
    Phin ließ den Ast los und schlug dumpf auf dem Boden auf. Die Zeit schien langsamer zu fließen, der Augenblick sich bis in die Ewigkeit auszudehnen. Eine kühle, von Rosenduft geschwängerte Brise strich über ihn hinweg, vor ihm erstreckte sich ein weitläufiger Rasen. Ein weiterer Fehdehandschuh – einer von so unzählig vielen, dass er sich nicht mehr an jeden einzelnen erinnern konnte. Seine Gedanken überschlugen sich. Er wollte nicht rennen müssen. Dazu war die Müdigkeit in seinen Knochen zu groß. Wie wunderbar wäre es gewesen, einfach in der Erde zu versinken. Er würde mit einem Lächeln auf den Lippen sterben und Ridland damit so richtig eins auswischen.
    Doch sein Körper hatte noch nie viel um seinen Verstand gegeben. Dessen Instinkt kannte nur den Willen zum Überleben. Als der erste Schuss fiel, hatten sich Phins Füße längst in Bewegung gesetzt. In Gedanken war er aber noch immer dort oben in dem Zimmer, bei dem Mädchen, bei ihrem Lachen und bei all dem, das an ihr keinen Sinn ergab.

4
    London, 1884
    Es war hübsch – so hübsch ein Gefängnis eben sein konnte. Minas Hotelsuite im Claridge’s war nicht so luxuriös gewesen. Die drei miteinander verbundenen Zimmer waren nicht nur geräumig, sondern auch erlesen ausgestattet – mit Möbeln von Chippendale und Axminster, Tapeten von Boucher und Gasleuchten aus funkelndem Kristallglas. Doch all das hatte für Mina keinen Wert. Nicht solange die Fenster sich nicht öffnen ließen und die Tür von außen verriegelt war. So konnte sie unmöglich frei atmen.
    Mr Ridland hatte sich

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