Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
»Offen gestanden hatte ich beim Aufbau der Firma ziemlich viel Hilfe.« Vor allem Emporkömmlinge waren mit Freuden bereit gewesen, den kleinen Zeitvertreib einer bewunderten Schönheit der Gesellschaft zu fördern. »Außerdem ist es nur ein sehr kleines Unternehmen. Wir vertreiben in erster Linie Haarwasser. Ach ja, und ab und an ein paar Cremes. Und nicht zu vergessen unsere Tinkturen. Gerade erst haben wir unsere Produktpalette erweitert.«
Mit einer Wucht, die Mina Mr Ridland gar nicht zugetraut hatte, sauste seine Faust auf den Tisch. Eine Gabel hüpfte vom Servierteller und landete scheppernd auf dem Tisch. »Es reicht. Sie haben mich jetzt genug gereizt. Der Sieg gebührt Ihnen. Aber jetzt sagen Sie mir endlich, ob dieser Brief« – er deutete auf die Butterschale – »eine Falle ist oder ob Sie tatsächlich im Besitz von Informationen sind, die für mich von Interesse sein könnten.«
Minas Gedanken kreisten indes noch um Ridlands höchst eigentümliche Wortwahl. »Der Sieg gebührt mir?« Nachdenklich fuhr sie mit dem Finger über den Rand ihrer Tasse. »Bedaure, Mr Ridland, aber das klingt in meinen Ohren ganz und gar nicht nach der Wahrheit. Solange Sie mich hier nämlich gefangen halten …«
»Mir gefällt diese Situation ebenso wenig wie Ihnen«, schnitt er ihr rüde das Wort ab. »Und ich versichere Ihnen, Miss Masters, dass ich die Rolle, die mir zuteilwird, auch nicht besonders erquicklich finde. Wenn es einen anderen Weg gäbe, dann …«
»Aber den gibt es doch.« Sie klopfte zwei Mal auf den Rand der Tasse, wie sie es oft tat, wenn sie das dumme Blondchen mimte. »Liebend gern werde ich mit der Regierung kooperieren. Ich könnte zum Beispiel jeden Tag im Park spazieren gehen, mit einer gut sichtbaren Zielscheibe auf meinem Sonnenschirm. Allerdings wäre es um einiges angenehmer, wenn ich mir aussuchen könnte, wer mich gefangen hält. Das würde meine Einstellung deutlich verändern.«
Ridland verdrehte die Augen. »Mademoiselle, Sie erwarten doch nicht allen Ernstes, dass wir Sie jemandem aus Ihrem Freundeskreis überlassen und blind darauf vertrauen, dass Sie in Deckung bleiben werden.«
»Natürlich nicht«, entgegnete Mina überrascht. Er schien sie tatsächlich für eine Närrin zu halten. »Genau genommen gibt es da einen gewissen Herrn, der, so glaube ich, für Sie arbeitet, und der für die Rolle des Beschützers bestens infrage käme.« Ihre Lippen juckten. Sie hatte nicht schlecht Lust, sich in die Fingerknöchel zu beißen. Da Ridland jedoch nicht den Eindruck machte, als zählte er zu jenen Zeitgenossen, die über kleinere Schwächen wohlwollend hinwegsahen, krallte sie die Finger stattdessen in ihren Rock. »Ich hatte die Gelegenheit, ihn in Fernost kennenzulernen, kurz bevor mein Stiefvater in Arrest gekommen ist. Der Mann nannte sich Phineas Monroe.«
Ridlands Gesicht versteinerte so sehr, dass es wie ein aus Künstlerhand geschaffenes Marmorabbild seiner selbst wirkte. »Nein, das ist unmöglich.«
Mit einer derartig heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Eine entsetzliche Ahnung beschlich sie. »Ist er tot?«
Ridlands Gesichtsausdruck blieb unverändert. Nein, entschied sie, Monroe war quicklebendig. Es musste einen anderen Grund für diese Eiseskälte geben. »Es ist mir nicht gestattet, derlei Informationen preiszugeben. Es tut mir aufrichtig leid, Miss Masters.«
Sie seufzte. Es tat ihm nicht im Geringsten leid. »Mir auch.« Schließlich war Monroe der einzige Mann im Dienste der britischen Regierung, von dem sie mit Sicherheit wusste, dass er seinerzeit nicht für ihren Stiefvater gearbeitet hatte.
Ridland starrte sie noch immer unverhohlen an. »Ist das alles, was Sie zu sagen haben?«
»Ja«, antwortete sie. »Mehr gibt es nicht zu sagen.«
Ridlands Miene verdunkelte sich abermals, und die Hand auf der Stuhllehne ballte sich zur Faust. Es war nicht sonderlich vielversprechend, das Ganze. Mina erhob sich, um räumlichen Abstand zu Ridland zu gewinnen und entschied spontan, zum Bücherregal zu gehen. Um ihren Hals besser zur Geltung zu bringen, von dem so mancher Gentleman behauptet hatte, er erinnere ihn an einen Schwan, reckte sie das Kinn. Sie hoffte, ihr Gegenüber würde mehr Skrupel haben, einem Schwan etwas anzutun, als beispielsweise einem Igel. Auf der anderen Seite wäre sie dankbar gewesen, wenn sie jetzt ein paar Stacheln gehabt hätte oder sich zu einem Ball zusammenrollen könnte.
»Ich kann nur inständig hoffen, Miss Masters, dass Sie
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