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Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Titel: Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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mich nicht zwingen, härtere Maßnahmen zu ergreifen.«
    Wahllos griff Mina sich ein Buch. Härtere Maßnahmen . Welch entsetzliche Poesie in zwei Worten; welch sinnträchtige Macht: ein dunkler, fensterloser und stickiger Raum, ihre Kehle trocken wie die Wüste, aus der Ferne die Schreie ihrer Mutter. Wenn er dachte, dass er sie damit einschüchtern konnte, würde er sich mehr Mühe geben müssen. Dabei hatte sie angenommen, das Schlimmste bereits gesehen zu haben. »Ja«, antwortete sie und nahm am Fenster Platz. »Das wäre nicht sehr erfreulich.«
    Erst jetzt sah sie, dass sie einen Atlas in Händen hielt. Wie passend. So konnte sie sich alle Orte ansehen, zu denen Ridland sie nicht reisen lassen würde.
    »Ich bin in einer Stunde zurück«, ließ er sie wissen. »Werfen Sie einen Blick auf Ihre Fingernägel. Gefallen Sie Ihnen? Vorausgesetzt, Sie zeigen sich kooperativ, dürfen Sie sie behalten.«
    Als die Tür mit lautem Krachen ins Schloss fiel, schleuderte Mina wütend das Buch von sich und schlug die zitternden Hände vor den Mund. Vielleicht half es ihr, wenn sie betete. Aber Gott stand vor allem jenen zur Seite, die sich selbst halfen. Zumindest hatten die letzten vier Jahre sie das gelehrt. Es war kein guter Zeitpunkt, ausgerechnet jetzt damit anzufangen, an ihrem Einfallsreichtum zu zweifeln.
    Das Blümchenmuster der Tapete verschwamm vor ihren Augen. Wie dumm es gewesen war, diesen Brief zu schreiben und ihre Chancen zu verspielen. Jetzt würde Ridland nach Geheimnissen verlangen, und sie hatte nichts, das sie ihm anbieten wollte. Ich weiß von einem Verräter in Ihren Reihen, konnte sie sagen, aber wenn ausgerechnet er der Abtrünnige war, hatte sie keine guten Karten. Dann waren ihre Fingernägel nicht das Letzte, was sie an ihn verlor.
    Öffne den Vorhang, dachte sie. Sieh genau hin.
    Die Möglichkeit, wieder nur auf ein leeres Hausdach zu schauen, ließ sie zittern.
    Tu es einfach. Nichtwissen ist schlimmer als Gewissheit.
    Wie von selbst fiel ihr Blick auf den Atlas, der aufgeschlagen am Boden lag. Mina blinzelte und sah genauer hin, ehe sich ihre Nackenhaare aufstellten. Providence . Providence in Cornwall, unweit einer Stadt namens Land’s End. Providence – das hieß Vorsehung. Konnte das noch Zufall sein?
    Ein Zeichen. Mina riss den Vorhang auf.
    Nichts. Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. Doch dann, durch die aufsteigenden Tränen, bemerkte sie eine winzige Bewegung. Für den Bruchteil einer Sekunde war ihr, als schwebte sie einen Fingerbreit über dem Boden, als zöge sich alles in ihr zusammen.
    Wie berauscht presste sie die Stirn gegen die Scheibe und legte die Hände flach auf das kalte Fensterglas. Auf dem gegenüberliegenden Dach kauerte Mr Tarbury im Schatten eines Kamins und streichelte den grauen Kater, den Mina schon zuvor gesehen hatte. Mr Tarbury liebte Katzen abgöttisch. Deshalb dauerte es eine ganze qualvolle Minute, ehe er den Blick hob und von Mina Notiz nahm. Er klopfte sich auf die Brust und machte eine Geste in ihre Richtung.
    Ja , formten Minas Lippen, und sie nickte so heftig, dass ihr fast schwindelig wurde. Wie gut zu wissen, dass es wenigstens einen Gentleman auf Erden gab, der mit ihr Rücksprache hielt, ehe er in ihrem Namen Entscheidungen traf. Als er sich aufrichtete, trat sie einen Schritt zurück und schlang die Arme um die Taille, um die Euphorie zu bezähmen, die sie erfüllte. Freiheit .
    Phin erwachte, hielt aber die Augen geschlossen. Ein Fremder befand sich in seinem Zimmer, das hatte sein Instinkt ihm sagen wollen.
    Ein Luftzug strich über seine Wange. »Guten Morgen, mein Lieber.«
    Geschmeidig wie ein Panther sprang Phin auf und schloss die Hand um den Hals des Eindringlings. Der Mann taumelte rückwärts und prallte mit dem Kopf gegen die Wand. Graue Augen. Der Mann riss die Arme hoch, um sich zu ergeben. Ringe funkelten an seinen Händen. »Frieden«, krächzte der Viscount.
    Verdammt. Er hatte es schon wieder getan. Phin spürte ein Brennen in den Ohren, doch seine Wut wandte sich nach außen, machte seine Hand ganz ruhig. Unangekündigt aufzukreuzen gehörte zu Sanburnes besonderen Spezialitäten. Auf der Universität hatte er einmal die Kühnheit besessen, verspätet zu einer Vorlesung zu erscheinen – und zwar in Begleitung eines Lamas. Doch die Zeiten in Oxford waren längst vorbei, weshalb diese jungenhaften Spiele so langsam an Reiz verloren.
    »Frieden?« Phin drückte Sanburne den Hals noch ein wenig fester zu. »Lass mich erst

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