Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
ihr fertigzuwerden.
»Lassen Sie los.« Die Stimme klang sanft, war das genaue Gegenteil des Drucks um ihre Handgelenke. »Ich möchte Ihnen nur ungern wehtun, Miss Masters.«
Als sie die Stimme schließlich erkannte, versteifte sie sich. Es war Monroe . Sie hatte nicht mehr gewusst, dass seine Stimme so tief war. Aber er hatte auch nie mit seinem natürlichen Akzent zu ihr gesprochen – abgesehen von der Phase, in der das Gift in ihm gewütet hatte. Damals hatte seine Stimme sehr heiser geklungen.
Die Erkenntnis, dass er es war, traf sie wie ein Blitz. Ebenso wie der Gedanke, dass er ihr Dankbarkeit schuldete, keinesfalls aber Gewalt. Sie hatte die freie Welt vor Augen und sah sich gezwungen, neu zu planen. Ihr stand wahrlich nicht der Sinn danach, sich wieder unter jemandes Knute zu begeben. Und Monroe war ihr etwas schuldig. Sie hatte ihn gemocht, damals in Hongkong. Wie es aussah, hatte er Tarbury in seiner Gewalt. Und ohne Tarburys Hilfe war sie in diesem Land vollkommen auf sich gestellt. »Lassen Sie mich aufstehen«, sagte sie. Der schlanke Körper, der auf ihr lag, fühlte sich unbeweglich und hart wie Granit an. »Bitte«, fügte sie leise hinzu.
Monroe verlagerte sein Gewicht ein wenig. Seine Wange streifte ihr Haar, Bartstoppeln kitzelten sie am Ohrläppchen. »Erst geben Sie mir die Waffe.« Wegen dieser Stimme, tief und voll und ein wenig heiser, hätten diese Worte für manch eine Frau wie Poesie klingen mögen.
Doch Mina verabscheute sie aus vollem Herzen. Warum konnte sie die Waffe nicht behalten? Obwohl sie nicht seine Feindin war, attackierte er sie wie ein Wolf das Kaninchen. Vielleicht konnte sie doch nicht auf ihn zählen. Widerwillig lockerte sie den Griff um die Waffe. »Nehmen Sie sie.«
Der Druck seines Gewichts wich von ihr. Seine linke Hand glitt über ihre Taille, während die andere ihr die Pistole abnahm. Dann zog er sie derart schnell in die Höhe, dass ihr schummerig wurde. Allem Anschein nach hatte das Gift bei ihm keine bleibenden Schäden hinterlassen. Er schlang den Arm um ihre Taille und zog sie mit sich die Stufen hinunter.
Als sie gegen seinen Arm ankämpfte, erhöhte er den Druck, als hätte er es mit einem quengelnden Kind zu tun. »Haben Sie noch mehr Waffen?« Die Art und Weise, wie er mit ihr sprach, konnte fast schon charmant genannt werden. So, als wollte er sie zum Tanzen auffordern. Was er nie getan hatte, wie ihr in diesem völlig unpassenden Moment einfiel. Sie hatte ihn gefragt.
Es war im Grunde genommen lächerlich, dass eine solch triviale Tatsache ihren Ärger zusätzlich anfachte. »Nein.«
»Sind Sie sicher?«
Wäre er Amerikaner, hätte sie ihn um einiges besser ausstehen können. »Ja!«
Er gab sie frei. Als Mina sich zu ihm wandte, riss er ein Streichholz an. Der Schein der Flamme fiel auf seine kräftige Hand. Am Ringfinger glitzerte ein Goldring, auf dem ein Symbol prangte. Die Flamme beschrieb einen Bogen durch die Dunkelheit, der bei dem Docht einer Lampe endete und ihn entzündete. Warmes Licht ergoss sich über Monroes Gesicht, warf aber auch dunkle Schatten unterhalb seiner Wangenknochen und der vollen Unterlippe. Seine Wimpern waren noch immer so lang wie die eines Engels, sein Kinn eckiger und härter als Stein. Als er die Lampe auf dem Boden abstellte, trafen sich ihre Blicke. Sogleich schoss Mina die Röte ins Gesicht. Wie albern. Seinerzeit in Hongkong hatte sie seine Augen bewundert. Sein fester Blick hatte sie dazu gebracht, ihm trotz aller Vorbehalte zu vertrauen.
»So sieht man sich wieder«, sagte er.
Mina öffnete den Mund, entschied sich dann jedoch gegen Worte der Aufrichtigkeit. Sie hatte ihm das Leben gerettet, und er hatte ihr nie richtig dafür gedankt. Da sollte er bei einem Wiedersehen doch etwas glücklicher klingen, oder? Nein, irgendetwas stimmte hier nicht. Wenn er wollte, dass sie ihm vertraute, musste er ihr beweisen, dass er es verdiente. »Oh«, sagte sie. »Kennen wir uns?«
Er verzog den Mund zu einem eigenartigen Lächeln. Mit einer bemerkenswert geschmeidigen Bewegung richtete er sich auf. Schon in Hongkong hatte seine elegante Anmut Mina den Atem verschlagen, doch jetzt, so beschloss sie, würde sie nicht wieder damit anfangen, ihn zu bewundern. »Vielleicht nicht«, sagte er. »Das heißt, früher kannten wir uns einmal. Erkennen Sie mich denn nicht?«
Hätten die Umstände seine Identität nicht nahegelegt und wäre ihr ein tiefer Blick in seine Augen verwehrt geblieben, hätte sie ihn womöglich
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