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Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Titel: Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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über den Park, vorbei an den erlöschenden Lampen und den träge fließenden Flüssen bis an den unbekannten Ort, an dem sich ihre Mutter aufhielt. Wenn sie mit aller Kraft an ihre Mutter dachte, vielleicht würde sie dann ihre Nähe spüren können. Halte durch. Ich komme und hole dich . Was Mina jedoch stattdessen fühlte, war die unermessliche Weite der Welt und wie fern die Sonne war, die auf der anderen Seite des Globus schien.
    Langsam öffnete sie die Augen wieder. In New York war es jetzt höchste Zeit, schlafen zu gehen – zumindest für die Kinder. Jane war vermutlich gerade dabei, ihre Tochter ins Bett zu bringen – in einem kleinen, gemütlich hellen Kinderzimmer. Henry saß sicherlich im Tuxedo-Club oder bei Delmonico’s, wo er sich an Hummer und Krabbenkuchen labte. Mit Henry war Mina längst fertig. Zu fordernd war er geworden, zu oft hatte er sich von ihr enttäuscht gezeigt. Heute Abend jedoch, wäre sie in New York, hätte sie ihn womöglich doch in ihr Bett eingeladen. Wenn sie neben ihm schlief, hatte sie keine Angst vor der Dunkelheit, sondern nur vor sich selbst.
    Der Gedanke lockte eine seltsame Traurigkeit an die Oberfläche. Mina spürte ein Kribbeln in den Füßen und wäre am liebsten losgerannt. Doch sie konnte nirgendwohin gehen. Sie stand vor der abgesperrten Tür, die zwischen ihr und der Freiheit lag, und hielt die Kerze an das Türschloss. Die Form des Schlüssellochs kam ihr bekannt vor. In New York hatte sie einen Mann angeheuert, der ihr gezeigt hatte, wie man Schlösser aufbrach. Nach ihren Erfahrungen in Hongkong war es für ihren Seelenfrieden wichtig gewesen zu wissen, wie sie sich im Notfall selbst befreite.
    Von neuer Zuversicht erfüllt kehrte sie in ihr Schlafzimmer zurück und begann, die Schubladen der Kommode zu durchsuchen. Schließlich fand sie die Haarnadeln, die sie vor dem Schlafengehen dort deponiert hatte. Mit zwei Nadeln bewaffnet kehrte sie zur Tür zurück, kniete sich auf den weichen Teppich und machte sich sogleich ans Werk. Aufgrund des Alters des Schlosses war der Schließmechanismus starr und unnachgiebig, aber zum Glück war Mr Goodger ein guter Lehrer gewesen. Wenige Augenblicke später ließ sich ein leises verheißungsvolles Klicken vernehmen.
    Langsam legte Mina die Hand um den Türgriff und öffnete die Tür, die lautlos aufschwang.
    Voll Stolz auf sich selbst kicherte sie leise. Ihr war klar, dass die Flucht ihr nicht viel nutzte, solange sie nicht wusste, was Ashmore mit Tarbury angestellt hatte. Ob Tarbury sich ebenfalls im Haus aufhielt? Im Gegensatz zu ihr hatte er nicht das Glück, auf Haarnadeln zurückgreifen zu können, um sich zu befreien.
    Angenommen, sie machte ihn ausfindig, dann konnten sie in einer Stunde bereits von hier fort sein. Sich weiterhin über Ashmores Vertrauenswürdigkeit Gedanken zu machen, wäre dann müßig. Sie und Tarbury konnten selbst einige Männer zusammentrommeln, um ihre Mutter zu retten.
    Der Gedanke beflügelte Mina. Sie blies die Kerze aus und betrat den Korridor.
    Er war dunkel und kalt, und der Teppich unter ihren nackten Füßen fühlte sich eisig an. Sie hielt sich dicht an der Wand, als sie den Flur entlangging und alle Türen probierte, an denen sie vorbeikam. Dabei konzentrierte sie sich nur auf jene, die sich nicht öffnen ließen.
    Der Flur mündete in einer breiten Empore, die in die geschwungene Treppe überging, die hinunter in die Eingangshalle führte. Durch die Glaskuppel, die das Foyer überspannte, fiel Mondlicht herein. Es überzog die Statuen und die Wände mit einem kalten, weißen Schimmer. Mit dem Rücken zur Wand glitt Mina an der Treppe vorbei in den gegenüberliegenden Flügel des Hauses. Gleich die erste Tür, die sie öffnen wollte, war versperrt.
    Dieses Schloss war besser geölt. Es dauerte weniger als eine Minute, bis sie es entriegelt hatte.
    Als Mina ins Zimmer schlüpfte, stieg ihr sogleich ein eigenartig süßlicher Geruch in die Nase. Das Zimmer schien ein ganz normales Arbeitszimmer mit Bücherregalen und einem Schreibtisch zu sein. Ein Sofa und einige Lehnsessel ergänzten die Ausstattung, und an den Wänden hingen gerahmte Landkarten. Die Tatsache, dass der Raum verschlossen gewesen war, weckte Minas Neugierde, sich den Schreibtisch näher anzusehen. Ein Lichtstrahl drang durch die nicht ganz geschlossenen Vorhänge und fiel auf die Federkiele, die akribisch geordnet auf einem Buch lagen.
    Bedächtig ließ Mina sich auf dem Lederstuhl nieder. Die Federn waren nach

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