Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
selbstgefällig dieser Kerl war. Vom ersten Moment an hätte ihr klar sein müssen, dass blaues Blut in seinen Adern floss. Er verkörperte zu hundert Prozent den Typ des dekadenten Aristokraten, den ihre Mutter ihr beschrieben hatte. Zu seinem Leidwesen war sie jedoch keine von diesen saft- und kraftlosen Londoner Ladys.
Sie führte die Hand an den Mund und biss auf die Spitze ihres Mittelfinger. Es war eine Geste, mit der er nicht gerechnet hatte; sofort gehörte ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Kaum hatte sie den Finger in den Mund geschoben, schoss ihm die Röte in die Wangen. Ganz so unerschütterlich war er also doch nicht.
Mit einem leise schmatzenden Geräusch zog sie ihren feuchten Finger zwischen ihren Lippen heraus. »Schade für Sie, dass ich keine Männer küsse, die Fremde für mich sind.« Sie legte ihm den feuchten Finger auf den Mund und spürte die Kühle, als er scharf die Luft einsog. Zart und gefühlvoll ließ sie den Finger über seine Unterlippe gleiten. Die Versuchung, die Reise bis zu seinem Grübchen im Kinn fortzusetzen, war groß. Ein Schritt nach dem anderen, Mina . »Vielleicht werden wir uns ja in den nächsten Tagen doch noch ein wenig näher kennenlernen«, raunte sie.
Ashmore atmete laut und schnell aus, ehe er sich mit starrem Blick wieder zurücklehnte. So wie jetzt, überrascht und ein wenig derangiert, ohne sein affektiertes Lächeln und seine Blasiertheit, fand sie ihn gleich noch mal so attraktiv.
Seine Augen hielten ihren Blick gefangen, während er um einiges bedächtiger als zuvor noch einmal Luft holte, ehe er sich mit der Zunge über die Lippen fuhr und leise sagte: »Sie schmecken alles andere als töricht, Miss Masters.«
Minas Herz machte einen Satz. »Das werte ich aber nicht als Kompliment.«
»Ich hatte auch nicht vor, Ihnen ein Kompliment zu machen. Vielleicht erinnert mich der Geschmack eher an Cleverness. Aber ich muss Sie warnen«, sagte er nachdenklich, legte die Hand um sein kantiges Kinn und strich sich mit dem Daumen über die Lippe, wie sie es zuvor getan hatte. Zu sehen, wie er sich selbst berührte, versetzte ihren Magen in helle Aufruhr. O ja, welch zweckdienliche Warnung.
Ashmore ließ die Hand sinken und setzte ein Lächeln auf. Es schien, als sähe er die Reaktion, gegen die sie ankämpfte, um sie nicht an die Oberfläche steigen zu lassen. »Auf Manipulation reagiere ich für gewöhnlich nicht erfreut«, murmelte er. »Es ist mir schleierhaft, was Sie vorhaben, aber Sie sollten wissen, dass ich erst vor Kurzem entschieden habe, keinerlei Einmischung in mein Leben mehr zu tolerieren.«
»Welch ein Luxus für Sie.« Es war nicht weiter schwierig, einen sachlichen Ton anzuschlagen. »Ich für meinen Teil hätte auch gern die Möglichkeit, derartige Entscheidungen zu treffen.«
Stirnrunzelnd blickte er aus dem Fenster. »Ja«, sagte er. »Das ist in der Tat ein Privileg.«
Seine Reaktion beflügelte Mina. Empfand er womöglich doch einen Anflug von Mitleid für sie? »Weiterhin schätze ich es nicht, gegen meinen Willen festgehalten zu werden. Aber ich werde es ertragen, wenn es dazu dient, dass meine Mutter wohlbehalten zurückkehrt.«
»So, so.« Ashmore weigerte sich noch immer, sie anzusehen. »Auf jeden Fall können Sie Ridland sagen, ich hätte versucht, Ihnen Ihr Geheimnis zu entlocken. Was den Rest angeht, werden Sie beide bestimmt einen wie auch immer gearteten Kompromiss finden.«
»Wie bitte?« Die Kutsche wurde langsamer. Als Mina seinem Blick folgte, zog sich ihr Magen zusammen. Sie kannte das dunkle, finstere Haus. Er hatte sie zu Ridland zurückgebracht. »Warten Sie!« Als er Anstalten machte, die Tür zu öffnen und auszusteigen, packte sie ihn am Handgelenk. »Sie können mich unmöglich hierlassen.«
Ashmore hob den Blick von ihrer Hand zu ihrem Gesicht. »Weshalb denn nicht? Sie haben mir doch unmissverständlich zu verstehen gegeben, wie widerlich Sie die Vorstellung finden, bei mir zu bleiben.«
»Weil …« War sie wirklich bereit, das Geheimnis des Verräters jetzt und hier preiszugeben? Was würde ihn daran hindern, sie in Ridlands Obhut zu geben, sobald er im Besitz der gewünschten Informationen war? Wer oder was würde ihre Sicherheit garantieren, sobald sie ihr Schweigen gebrochen hatte?
Es gab jedoch noch einen Weg, der einen Versuch wert war. Der letzte Versuch hatte in endlosen Diskussionen geendet, die sie hatte vermeiden wollen. »Sonnenuntergang«, sagte sie. »Das war das Versprechen, das Sie
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