Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
machte? Antwort: Man bezog Joseph Ridland in die Rechnung ein. Dass sie über derart professionelle Fähigkeiten verfügte, erleichterte ihn irgendwie. Es machte seinen Zorn zum Ergebnis geschickter Manipulation, weniger zum Beweis für seine persönliche Schwäche.
»Finden Sie, dass Sie in der Position sind, Forderungen zu stellen?«, fragte er freundlich.
Mina hob das Gesicht und ließ es von der Sonne bescheinen. Ihr Profil war so klar geschnitten wie eine Kamee. Phin war überzeugt, dass sie sich dessen bewusst war und es gekonnt einsetzte. »Forderung? Ich hielt es für eine Bitte.«
Neugier war keine Sünde. Selbst die Reinsten der Reinen waren davor nicht gefeit. »Stellen Sie mir Ihre Frage. Wer weiß, womöglich beantworte ich sie Ihnen.«
»Ursprünglich nahm ich an, Sie arbeiteten noch immer für Ridland. Mittlerweile denke ich jedoch, dass dem nicht so ist. Was stimmt denn nun?«
Eine höchst interessante Frage, wenngleich auch hinterlistig. Einzig ihr Motiv war ihm nicht ganz klar. »Weshalb wollen Sie das wissen?«
»Ich traue Ridland nicht über den Weg und würde auch niemandem mein Vertrauen schenken, der in seinem Dienste steht.«
Phin hielt inne. »Sind Sie wirklich auf der Suche nach jemandem, dem Sie vertrauen können?« Vielleicht suchte sie nach einer Möglichkeit, Ridlands Dienste zu quittieren.
Ihre Augen weiteten sich. »Jeder braucht jemanden, dem er trauen kann. Vor allem in einem fremden Land, in dem man niemanden kennt.« Sie unterstrich ihre Worte mit einem Lächeln. »Blicken Sie so finster drein, wie Sie wollen, Ashmore. Ich für meinen Teil weiß, dass ich von Grund auf ehrlich zu Ihnen bin.«
Phin sagte sich, es könnte nicht schaden, ihr reinen Wein einzuschenken, zumal sie die Wahrheit bereits ahnte. Mit ein wenig Glück trug seine Aufrichtigkeit dazu bei, dass sie ihre Deckung vernachlässigte. »Seit dem Tag, an dem ich den Titel offiziell verliehen bekommen habe, stehe ich nicht mehr in seinem Dienst.«
Als Mina sich mit einem Nicken wieder dem Fenster zuwandte, wünschte er sich, sie hätte das nicht getan, weil er nun nicht mehr sehen konnte, was in ihrem Antlitz vor sich ging. »Um auf Ihre Frage zurückzukommen«, sagte sie. »Nein, ich habe es nicht bequem, nicht einmal ansatzweise. Meine Mutter pflegte so dazusitzen, wie ich es gerade tue. Und ich habe mir geschworen, es ihr nie gleichzutun.«
»Sie meinen, an einem Fenster zu sitzen?«
»Genau. Egal, wo in der Welt wir uns gerade aufhielten, fast immer, wenn ich ihr Schlafzimmer betrat, saß sie so da wie ich jetzt, den Blick starr nach draußen gerichtet. Jedes Mal befiel mich bei ihrem Anblick eine große Ungeduld, und ich habe mich gefragt, was sie da draußen eigentlich sieht. Meine Frage danach hat sie nie beantwortet. Seit heute kenne ich die Antwort. Würden Sie sie gerne erfahren?«
Wie es schien, gingen Mina allmählich die Strategien aus. Schließlich hatte sie bereits versucht, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen. »Lassen Sie mich raten – Freiheit?«
Erst als Mina sich wieder zu ihm wandte, bemerkte Phin die Schatten unter ihren Augen. Nein, die Zimmer, die er ihr zur Verfügung stellte, waren ebenso elegant ausgestattet wie seine. Er würde nicht zulassen, dass ihre zur Schau gestellte Empfindlichkeit bei ihm auch nur den Anflug eines schlechten Gewissens entfachte. »Nein, das denke ich nicht. Dazu fehlt ihr die nötige Vorstellungskraft.«
Phin zögerte. Ihm erging es wie Pandora. Auf der einen Seite mochte er keine Rätsel, auf der anderen konnte er sich nicht der Versuchung entziehen, die gottverdammte Büchse zu öffnen. Zugegeben, es ging um mehr als nur darum, seine Neugier zu befriedigen. Das Sonnenlicht auf ihrem Gesicht betonte die Reinheit ihrer Haut, und Phin erinnerte sich mit großer Intensität daran, wie es sich angefühlt hatte, sie an sich zu drücken.
Erschwerend kam hinzu, dass sie sich in seinem Haus aufhielt, was sie zu seinem persönlichen Problem machte. »Dann verraten Sie mir doch endlich, was Ihre Mutter gesehen hat, Miss Masters. Und wehe, Sie enttäuschen mich«, schob er trocken nach. »Ihre Antwort sollte so ergreifend wie möglich sein.«
Zu seiner Überraschung begann sie zu lachen. Das Unbehagen, das sich in den letzten Minuten in ihm geregt hatte, hieb ihm die Krallen in seine Eingeweide. Er wurde aus dieser Frau einfach nicht schlau, wenngleich er nachvollziehen konnte, warum Ridland sie angeheuert hatte. Teilnahmslosigkeit wäre, gemessen an der
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