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Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Titel: Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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dass sie nicht zu spät kamen. Der Mut ihrer Mutter war subtil, und in Hongkong hatte sie ihre Fähigkeit zur Ausdauer unter Beweis gestellt. Ashmore hatte ihr versichert, dass sie noch vor sieben Uhr am Abend in Plymouth und spätestens morgen Mittag in Providence eintreffen würden. Kaum hatte er sie das wissen lassen, hatte sie ein Gefühl tiefster Dankbarkeit erfüllt. Es mochte sein, dass er ihr nicht vertraute, aber wenigstens nahm er sie ernst
    Als Mina den Blick vom Fenster abwandte, senkte der junge Bursche ihr gegenüber blitzschnell den Blick. Sein stumpfes blondes Haar war so fettig, dass es an ein Wunder grenzte, dass es ihm nicht vom Kopf glitt. Schlugen sechzehnjährige Knaben in diesem Land keinen Radau? Unterband die lähmende britische Gesellschaft jeglichen jugendlichen Tatendrang? Als er ein weiteres Mal zu ihr schaute, lächelte sie ihm aufmunternd zu, jedoch ohne den gewünschten Erfolg. Der Jüngling lief rot an, schluckte und starrte zornig auf seine Knie.
    Ach, wie unsinnig das alles war. Es war ihr einfach nicht möglich, so dicht bei diesen Menschen zu sitzen und vorzugeben, dass sie nicht existierten. Sie hielt die Zeitschrift in die Höhe: »Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sage, aber dem hier ziehe ich Godey’s Lady’s Buch allemal vor.«
    Phin seufzte in seine Zeitung hinein. Seit mindestens einer halben Stunde wartete er darauf, dass sie irgendeinen Unfug anstellte, und konnte dafür noch nicht einmal dem Jüngling die Schuld geben, der mit anzüglichen Blicken um sich warf. Miss Masters hatte versprochen, sich für die Reise dezent zu kleiden, was ihr aber nicht einmal im Ansatz gelungen war. Sie hatte sich für ein Kleid mit einem hohen Kragen und langen Ärmeln entschieden und trug – dem Himmel sei dank – ein Korsett darunter. Doch die roten und weißen Nadelstreifen setzten die Wölbung ihrer Brüste mit schwindelerregender Präzision in Szene. Womöglich wäre das noch hinnehmbar gewesen, wenn es ihr gelungen wäre, unauffällig ihren Platz einzunehmen. Doch obwohl sie so klein war, zog sie alle Aufmerksamkeit auf sich. Als Erstes scheuerte der Saum ihres Kleides über seine Schuhe. Als Nächstes nahm ihr Ellbogen die Armlehne zwischen ihnen in Beschlag. Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, berührte sie ihn sanft, und bei Gott, sie bewegte sich alle Nase lang.
    Wenigstens hatte sie sich heute für Unterröcke entschieden. Er wusste es, da das permanente Rascheln, das von ihnen ausging, Bilder von scharlachrotem Taft, schwarzen Schleifen, Strumpfhaltern und Seidenstrümpfen, glatten weißen Oberschenkeln und das, was zwischen ihnen zu finden war, hervorrief. Und natürlich Brustwarzen. Roséfarbenen Brustwarzen. Er würde nie erfahren, welcher Teufel ihn geritten hatte, sie nach der Farbe zu fragen. Doch seitdem er wusste, dass sie ros é waren, erinnerten ihn seine Gedanken in schöner Regelmäßigkeit daran. Roséfarbene, wohlduftende, vollbusige, raschelnde, regsame Miss Masters – sie war der Stoff, aus dem pubertäre Fantasien gemacht waren, und je mehr sie sich bewegte, desto jünger und abgelenkter fühlte Phin sich. Später, so war er sich sicher, würde er sich darüber köstlich amüsieren, aber er verspürte nicht den Wunsch, sich in einem Zug zum Narren zu machen. Unterdessen bestand sein Verstand bei jeder neuen Berührung immer beharrlicher darauf, dass sie mit Absicht den Körperkontakt zu ihm suchte. Da sie teuflisch gut küsste, wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn auch Folter zu ihrem festen Repertoire gehörte. Wenn sie schon einen erwachsenen Mann verrückt machte, welche Chancen hatte da wohl ein Jüngling?
    Der Junge hatte auf jeden Fall seine Mutter neben sich sitzen, so viel stand fest. Die Lady sog laut die Luft ein und warf den Ball zurück in Miss Masters Feld: »Die Zeitschrift kenne ich nicht.«
    Als wäre sie taub auf dem Ohr, verwechselte Miss Masters Ablehnung mit Interesse: »Es handelt sich um eine amerikanische Publikation«, erklärte sie. »Ich bin nämlich Amerikanerin, müssen Sie wissen.«
    Der Junge hüpfte fast aus dem Sitz. »Das habe ich mir gleich gedacht!«
    Stille, gepaart mit einem strengen Blick seiner Mutter, bereitete seinem Ausbruch ein jähes Ende. Widerwillig fügte er sich und saß still da.
    Doch Miss Masters konnte diese Zurückweisung durch Schweigen nicht hinnehmen. Sie hatte die schlechte Angewohnheit, mit Menschen zu reden, die sie nichts angingen; zum Beispiel mit einem Hausmädchen namens Sally.

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