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Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Titel: Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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Erst heute Morgen, als Phin in der Eingangshalle an der mageren Blondine vorbeigegangen war, hatte er sie überrascht gefragt, ob es sein könnte, dass sie nach Gardenien duftete. Das kreidebleiche Gesicht des Hausmädchens hatte Bände gesprochen. Miss Masters gab sich nicht damit zufrieden, ihm zu drohen, seine Dienerschaft abzuwerben, o nein. Vorher würde sie sie noch einparfümieren. Er konnte selbst kaum glauben, dass er den Wunsch verspürte, lauthals darüber zu lachen.
    Miss Masters’ Stimme riss ihn aus den Gedanken. »Ich muss schon sagen, das britische Eisenbahnnetz unterscheidet sich doch gewaltig von dem unseren.« Es war nicht offensichtlich, an wen aus dem unfreiwilligen Publikum sich diese Bemerkung richtete. »Ich will Ihnen ein Beispiel geben. Wieso ist es nicht möglich, das Gepäck vor der Abfahrt aufzugeben? Nachdem man einen Fahrschein gelöst hat, kommt in Amerika eine Gepäckkutsche nach Hause und nimmt jeden Koffer im Austausch gegen eine Kupferplakette in Empfang. Das ist doch …«
    Phin schnitt ihr das Wort ab. »Gewiss. Sie erwähnten es bereits auf dem Bahnhof.« Lang und breit hatte sie es ihm erklärt. Er vermutete, dass sie darauf aus war, seine Geduld auf die Probe zu stellen, wenngleich ihr Motiv ihm nicht klar war.
    Sie sah ihn gekränkt an. Ob dieser Blick echt war oder ob sie in der Öffentlichkeit das einfältige Dummchen mimte, zählte ebenfalls zu den Dingen, die er noch nicht ganz durchschaute. »Aber ich rede doch jetzt mit den anderen Fahrgästen. Es kann doch sein, dass sie noch gar nichts von den amerikanischen Weiterentwicklungen wissen. Und wenn man nicht weiß, dass ein besseres System existiert, wie in Gottes Namen soll man sich dann gegen das eigene auflehnen?«
    Dass sie von Auflehnung sprach, versetzte zwei Drittel der gegenüberliegenden Sitzbank in Alarmbereitschaft. Der rothaarige Mann verdrehte krampfhaft den Oberkörper in Richtung Fenster, als interessierte er sich für die vorbeiziehenden Weizenfelder. Die Matrone starrte zornig drein, während der Jüngling Mina wie in Trance mit offenem Mund anstarrte.
    Phin faltete die Zeitung zusammen und erhob sich, um sie in dem Gepäcknetz über ihren Köpfen zu verstauen. »Miss Masters. Würden Sie kurz mit mir vor die Tür treten? Ich möchte Ihnen etwas Interessantes zeigen, über das nur die englische Eisenbahn verfügt.«
    Sie traten auf den schmalen Gang hinaus, der neben den Abteilen verlief. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, musste Mina die Hände gegen die Wände stemmen, wobei sie etwas über die Überlegenheit der amerikanischen Eisenbahnen murmelte. »Wir befinden uns auf einer 12er-Spurweite«, erklärte Phin stirnrunzelnd. »Da können wir locker mit den Amerikanern mithalten. Was ich aber eigentlich sagen möchte: Es wäre dem Zweck unserer Reise dienlicher, wenn Sie damit aufhörten, ständig die Aufmerksamkeit der anderen Fahrgäste zu erregen.«
    Wie der Zufall es wollte, fuhr der Zug in diesem Moment durch ein Wäldchen, sodass Sonnenlicht und Schatten in einem wilden Tanz über ihre Gestalt huschten – was Phins Blick wie magisch angezogen auf ihre Brüste lenkte.
    »Lassen Sie mich raten«, sagte sie, als seine Augen begierig dem Schatten folgten. »Das Interessante an Ihrer Eisenbahn ist die Langeweile. Ich kann nichts Schlimmes dabei finden, wenn ich mich ein wenig mit unseren Mitreisenden unterhalte. Ist es wirklich so, dass Sie hier gar nicht über die Züge sprechen? Ich vermute, das ist so, weil Sie in diesen muffigen kleinen Abteilen sitzen. In Amerika haben wir Großraumwagen, sodass jeder …«
    »Und in Amerika regnet es vermutlich auch Gold vom Himmel.« Sie schien es wahrhaftig darauf anzulegen, kein gutes Haar an England zu lassen. Warum, war ihm jedoch schleierhaft. »Aber Sie befinden sich derzeit in England und das nicht aus Spaß an der Freude.«
    Sie zögerte. »Sie machen sich Sorgen, Collins’ Männer könnten hinter uns her sein.«
    Genau genommen dachte er weniger an Collins’ Handlanger als an die Ridlands. Aber das machte keinen Unterschied. »An eine geschwätzige Amerikanerin erinnert man sich leicht.« Er hielt kurz inne. »Meinen Sie nicht auch?«
    Dass er nach ihrer Meinung fragte, besänftigte sie ein wenig. »Vielleicht«, räumte sie mit einem vornehmen Nicken ein. Ein kurzer Moment der Stille senkte sich über die beiden, ehe er sich mit einem Mal bewusst wurde, dass das rhythmische Geräusch, das durch das Überfahren der Bahnschwellen entstand, auf

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