Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
Tasche und holte eine Taschenuhr hervor. Wie beiläufig er einen Blick darauf warf. Nachdem er die Uhr wieder verstaut hatte, sagte er: »Warum ist das wichtig?«
»Pardon, ich wollte nicht philosophisch werden. Ich wollte lediglich ein simples Ja oder Nein als Antwort.«
»Und ich hatte nicht vor, Ihnen eine Antwort schuldig zu bleiben«, entgegnete er. »Ich war einfach nur neugierig, warum Ihnen das wichtig ist.«
»Aber Sie werden mir dennoch nicht antworten?«
»Nein«, sagte er.
Sein kühler Unterton irritierte sie. »Nein, Sie werden mir nicht antworten?«
Ihre Blicke trafen sich. »Nein, der Kuss geht auf mein Konto. Unglaublich, aber nicht jeder Zug auf dem Spielbrett trägt Ihre Handschrift. Wollen Sie womöglich eine weitere Kostprobe?«
Mina zögerte. Sie hatte nicht erwartet, dass er die Verantwortung für den Kuss übernahm. Dass er von Spielen sprach, erschien ihr nicht unbedingt aussichtsreich. Henry hatte versucht, sie mit dem Liebesspiel zu kontrollieren. Bis zu dem Tag, an dem sie ihn in ihr Bett eingeladen hatte, hatte sie ihn für einen vernünftigen Zeitgenossen gehalten. Und dann, sprichwörtlich über Nacht, hatte er ihr gegenüber eine Erwartungshaltung angenommen, die sie salopp gesprochen umgehauen hatte. Fast so, als hätte sie eingewilligt, seine Fehler zu akzeptieren und seine Launen zu ertragen, nur weil sie ihm ihre Jungfräulichkeit geschenkt hatte. »Sie haben mich schamlos genannt«, rief sie ihm in Erinnerung.
»Und Sie haben mir versprochen, mir mehr davon zu zeigen.« Er lächelte. »Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie dazu bereit sind.«
Wenn Sie dazu bereit sind – die Formulierung gefiel ihr. Etwas zuversichtlicher sagte sie: »Aber der Kuss war Ihre Schuld. Da sind wir uns einig.«
»Aber Sie haben mich dazu gebracht, auch daran besteht kein Zweifel.« Seine in die Höhe gezogene Augenbraue ließ seine Worte überaus ironisch klingen. »Aber ich habe die Initiative ergriffen und dafür entschuldige mich in aller Form, wenn es das ist, worauf Sie aus sind.« Er zuckte die Schultern. »Wenn Sie das Schlimmste in einem Manne zum Vorschein bringen, heißt das nicht, dass Sie auch für seine Sünden verantwortlich sind.«
Sie runzelte die Stirn. Für ihn war ein einziger Kuss schon schamlos? Entweder war er ein Mann von eigentümlichem Ehrgefühl, oder er vertrat eine entsetzlich mönchische Überzeugung. Letzteres würde sein Desinteresse an ihr in Hongkong erklären, aber Mina war sich nicht sicher, was sie empfinden sollte, entspräche das den Tatsachen. Verärgerung machte keinen Sinn, und Verlegenheit schien ihr viel zu plump und anspruchslos zu sein. Sie hatte keinen Grund, sich zu schämen oder sich wegen dieser Peu-à-peu-Verführung unzulänglich zu fühlen. »Sie haben es auf jeden Fall genossen«, konterte sie gereizt. »Dessen bin ich mir sicher.«
Seine dunklen Augen musterten sie durchdringend. »Ja. Das habe ich. Wie entzückend, dass es ihnen aufgefallen ist. Gibt es sonst noch Fragen, die Sie mir gerne stellen würden? Vielleicht könnten wir uns darüber austauschen, wie steif mein Schwanz war oder ob Ihre Brustwarzen roséfarben oder eher bräunlich sind. Ich denke, sie sind ros é , aber Sie können mich gern eines Besseren belehren, falls ich mich irre.«
Mina öffnete den Mund, blieb aber stumm. Ein heißkalter Schauer lief ihr über die Haut. O nein, sie würde nicht zulassen, dass er sie schockierte. Wie arrogant er dasaß und sie fast im selben Atemzug als Trottel verspottete, in dem er ihr seine Entschuldigung anbot – aber nur, wenn sie eine wollte . »Sie haben ein dreckiges Mundwerk«, sagte sie. » Das ist mir bereits in Hongkong aufgefallen.«
Er lachte. »So, habe ich das? Dann verraten Sie mir doch, Miss Masters, wie mein dreckiges Mundwerk denn so schmeckt. Wenn ich mich recht entsinne, war ich nicht der Einzige, der den Kuss genossen hat.«
»Ich hatte Spaß an der Sache, weil ich Sie dazu gebracht habe, wie ein Baby zu zittern«, erwiderte sie und erkannte noch im selben Moment, dass sie einen Fehler begangen hatte. Mit dem Feuer zu spielen war schön und gut, aber gleich einen Großbrand auszulösen war dumm.
Er antwortete nicht. Das musste er auch nicht. Der unverhohlene Ausdruck in seinen Augen, gepaart mit dem Lächeln, ließen sie rot anlaufen. »Ich bin überzeugt, dass Sie diese Bemerkung schon bald bereuen werden«, sagte er mit leiser Stimme. »Meinen Sie nicht auch?«
Mina fürchtete, dass er recht hatte, würde ihm
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