Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
gern würde Phin den flirtenden Ellbogen die Schuld daran geben, aber er musste sich eingestehen, dass er allein bei dem Gedanken daran einiges an Selbstachtung verlor.
Genau wie ihm war auch Miss Masters aufgefallen, wie nah der Mann an der Tür gestanden hatte. Als sie sich wieder setzte, warf sie Phin einen beredten Blick zu, ehe sie abermals in die Richtung des Mitreisenden blickte. Nein , flehte er sie in Gedanken an. Nicht hinsehen, keine Bemerkung.
»Oh!«, richtete sie fröhlich das Wort an die ältere Lady. »Haben Sie entschieden, mir gegenüber zu sitzen? Wie schön. Wollen Sie vielleicht einen Blick in meine Zeitschrift werfen?«
»Nein«, erwiderte die Frau knapp. »Es war nicht meine Idee, die Plätze zu tauschen.«
Zugegeben, das war nicht schlecht gewesen. Leider Gottes ließ Miss Masters es sich nicht nehmen, ihren Triumph zu feiern, indem sie den »Yankee Doodle Dandy« summte, während sie es sich abermals mit ihrer Zeitschrift gemütlich machte.
Phin nahm indes seine Tasche und seine Zeitung aus dem Gepäcknetz, setzte sich wieder hin und schlug die Zeitung mit einer Entschiedenheit auf, von der er hoffte, dass sie Miss Masters nicht entging. Auf ihre Koffer, die sich im Gepäckabteil befanden, konnten sie zur Not verzichten. Nicht umsonst befand sich seine Pistole in der Ledertasche.
»Was für ein herrlicher Tag«, sagte Miss Masters. »Ist es nicht eine Schande, dass wir hier drinnen eingesperrt sind?«
Selbst jetzt konnte sie sich nicht dazu durchringen, ihm die Führung zu überlassen. Vermutlich zog sie ihr Selbstvertrauen aus ihrem geschäftlichen Erfolg in New York. Er dachte an ihre Mutter, die sich schlaff und kraftlos in Collins’ Schatten bewegt hatte, und fragte sich, ob Miss Masters eigentlich bewusst war, dass zwischen den beiden Extremen auch noch andere Möglichkeiten existierten, zum Beispiel ein Miteinander . »Reisen kann recht langweilig sein«, sagte er sanft und ließ den Blick über die Worte gleiten. Als er fand, wonach er suchte, sagte er: »Ist Ihnen langweilig? Erlauben Sie mir, Sie ein wenig zu unterhalten. Hier, sehen Sie sich das an.«
Sie reckte den Hals, während er ihr verschiedene Worte zeigte. Weggehen … ohne … Vorankündigung .
»Oh, das ist in der Tat höchst interessant«, pflichtete sie ihm bei. »Wann denken Sie, wird es dazu kommen?«
»Sehr bald schon, vorausgesetzt, der Premierminister schafft es, sich durchzusetzen.« Der Zug erzitterte, als der Lokführer die Geschwindigkeit drosselte, weil der nächste Halt in einem Bahnhof unweigerlich bevorstand. »Manchmal kann so etwas sogar sehr schnell gehen.«
Sie lächelte. »Eigentlich widerstrebt es mir, eine fremde Macht anzuerkennen, aber in diesem Fall mache ich eine Ausnahme und werde mich nicht in Diskussionen ergehen. Das Urteil, das er gefällt hat, scheint mir höchst plausibel zu sein.«
Wie clever sie war. Als Phin merkte, dass er den Wunsch verspürte, ihr in die Wange zu kneifen, schreckte er innerlich hoch. »Das ist Musik in meinen Ohren«, sagte er und machte sich daran, die Zeitung zusammenzufalten. Doch ihre Hand fing sein Handgelenk ab.
»Die Geschichte hier sieht auch vielsagend aus.« Ihr behandschuhter Finger landete auf dem Wort wie . »Haben Sie davon schon etwas gehört?«
»Dabei handelt es sich um klassischen Betrug«, improvisierte er. »Im Grunde ganz einfach. Ein Mann sorgt für Ablenkung, während die anderen mitsamt den Juwelen die Flucht antreten. Ich gehe nicht davon aus, dass die Polizei der Bande habhaft wird.«
Die Matrone stieß ein lautes Schnauben aus, um ihr Missfallen an der Unterhaltung kundzutun.
»Ich frage mich nur, wie der Mann entkommen sein mag, der das Ablenkungsmanöver inszeniert hat. Oder befindet er sich in Untersuchungshaft?«
»Nein«, antwortete er. »Ich nehme an, dass er auf seinem Gebiet ein Experte ist.«
»Verstehe.« Als er die Zeitung zusammenfaltete, legte sie ihre Zeitschrift auf den Boden und verschränkte brav die Hände im Schoß, während ihre Lippen tapfer gegen ein Lächeln ankämpften. »Es war mir gar nicht bewusst, Sir, welch profundes Wissen Sie über kriminelle Machenschaften haben. Ich muss schon sagen, so langsam mache ich mir große Sorgen.«
Phin versuchte erst gar nicht, mit seinem Grinsen hinter den Berg zu halten. Dieser privaten Verschwörung wohnte etwas ungemein Charmantes inne. »Ich bin nicht derjenige, dem der Sinn nach einem Kleid mit magenta- und orangefarbenen Streifen steht.«
Das laute
Weitere Kostenlose Bücher