Die Wahrheit der letzten Stunde
fremden Frau.«
»Das ist ja ein starkes Stück!«, wirft Metz wütend ein.
»Allerdings! Der letzte Ort, an dem man Faith unterbringen sollte, ist bei ihrem Vater. Bitte belassen Sie sie in der Obhut meiner Mandantin.«
Richter Rothbottam greift nach seinen Kopfhörern und beginnt, umständlich Seemannsknoten in die Kabel zu knoten. »Ich denke, ich habe genug für einen Nachmittag. Ich habe nicht den Eindruck, dass das Kind in akuter Gefahr schwebt, Mr. Metz. In fünf Wochen findet die Verhandlung statt, bei der über die Sorgerechtsfrage entschieden wird. Ich darf davon ausgehen, dass dieser Zeitraum ausreichend ist?«
»Je eher, desto besser, Euer Ehren«, entgegnet Metz. »Um Faith’ willen.«
Der Richter blickt nicht einmal von seinem Terminkalender auf. »Ich bestelle einen Psychiater, Dr. Orlitz, der auf mein Geheiß hin Ihren Mandanten untersuchen soll, Metz. Ebenso Ihre Mandantin, Standish, sowie die gemeinsame Tochter. Das ist ein richterlicher Erlass, was bedeutet, dass Sie alle kooperieren werden. Selbstverständlich steht es Ihnen frei, sich einen eigenen Psychiater zu nehmen, aber Sie werden auf jeden Fall auch mit Dr. Orlitz sprechen. Außerdem bestelle ich Kenzie van der Hoven vorübergehend zur Prozesspflegerin, und ich erwarte von Ihnen, dass Sie ihr alle Informationen geben, die sie wünscht. Falls Sie Einwände haben sollten gegen Ms. van der Hoven, bitte ich darum, diese jetzt anzumelden.«
Joan raunt Mariah zu: »Sie ist gut.«
Metz fühlt den Blick seines Mandanten auf sich ruhen und zuckt die Achseln. Er kennt keinen einzigen Prozesspfleger in New Canaan. Manchester ist eine Sache, aber soweit er informiert ist, könnte Kenzie Soundso auch Joan Standishs Schwester sein. »Ich denke, das geht in Ordnung, Euer Ehren«, erklärt Metz mit fester, klarer Stimme.
»Wir stimmen ebenfalls zu«, sagt Joan.
»Wunderbar. Die Sorgerechtsverhandlung beginnt am Freitag, dem dritten Dezember.«
»An diesem Tag bin ich verhindert«, wendet Metz über seinem Kalender brütend ein. »Ich muss eine eidliche Erklärung abgeben im Prozess eines Jungen, der sich von seinen Eltern scheiden lässt.«
»Soll mich das etwa beeindrucken, Mr. Metz?«, fragt Richter Rothbottam. »Das tut es nämlich nicht. Uberlassen Sie das jemand anders. Sie legen doch so großen Wert darauf, dass der vorliegende Fall möglichst bald verhandelt wird.«
Metz klappt seinen ledergebundenen Terminkalender wieder zu. »Ich werde da sein.«
»Joan?«
»Kein Problem.«
»Großartig.« Der Richter setzt die Kopfhörer wieder auf. »Ich kann es kaum erwarten.«
Joan bringt den Wagen vor dem Haus zum Stehen und legt Mariah flüchtig eine Hand auf den Arm. »Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen gesagt habe. Das ist nicht das Ende der Welt.«
Mariahs Lächeln erreicht nicht ganz ihre Augen. »Danke. Für alles.« Sie faltet die Hände auf dem Schoß. »Sie haben mich beeindruckt.«
»Glauben Sie mir, das war noch gar nichts.« Joan lacht. »Ich hätte in diesem Fall auch auf mein Honorar verzichtet, nur um mich einmal mit Malcolm Metz anlegen zu können. So, und jetzt gehen Sie rein und spielen mit Ihrer Tochter.«
Mariah nickt und steigt aus dem Jeep. Sie zuckt zusammen bei den Fragen, die die Reporter ihr zurufen, und beim Anblick einer großen Gruppe Frauen, die ein Poster hoch halten, das eine Vergrößerung von Faith’ Gesicht zeigt. Sie fühlt sich zerbrechlich wie eine Dekoration aus Zuckerfäden, aber als sie die Verandatreppe hinaufsteigt, stählt sie sich innerlich. Sobald sie eingetreten ist, kommen ihre Mutter und Faith ihr entgegengelaufen. Nach einem forschenden Blick auf Mariahs Gesicht, wendet Millie sich ihrer Enkelin zu. »Liebes, ich habe meine Lesebrille auf der Armlehne des Sofas liegen lassen. Würdest du sie mir bitte holen?«
Kaum ist Faith außer Hörweite, fragt Millie: »Und?«
»In fünf Wochen müssen wir vor Gericht.«
»Dieser Hurensohn. Ich wusste, dass …«
»Ma«, schneidet Mariah ihr das Wort ab. »Nicht jetzt.« Sie lässt sich auf die Treppe sinken und fährt sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Es geht nicht um Colin.«
»Und auch nicht um dich, Mariah, aber ich wette, in fünf Wochen wird es sehr wohl darum gehen.«
»Was soll denn das jetzt heißen?«
»Dass deine Achillesferse leider eine Zielscheibe ist so groß wie ein Scheunentor. Und dass Colin und sein Schickimicki-Anwalt ganz sicher auf diesem wunden Punkt herumreiten werden.«
»Bis dahin wird Joan sich etwas
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