Die Wahrheit der letzten Stunde
und speziell seine Theologie - immer ein Hafen der Logik gewesen. Die Welt ist es, die keinen Sinn macht - was sonst könnte es für einen Sinn haben, dass ein betrunkener Autofahrer ausgerechnet den Kombi seiner Frau rammt anstatt irgendein anderes der dreihundert Autos, an denen er in jener Nacht vorbeigefahren ist? Religion aber, mit ihrem Verständnis von Göttlichkeit, ihrer Ordnung und ihrer Erlösung war buchstäblich Rampinis Rettung gewesen.
Im Bad lässt er kaltes Wasser ins Waschbecken laufen und wäscht sich das Gesicht. Als er sich anschließend abtrocknet, schaut er in den Spiegel des Medizinschränkchens und zögert einen Moment. Was soll er über Faith White berichten? Auf der einen Seite besitzt sie die Demut der wahrhaft Gesegneten, und die ganze Sache bringt ihr nichts ein außer einem Ruhm, der ihr eher lästig zu sein scheint. Auf der anderen Seite gibt sie immer wieder Ketzerisches von sich.
Er fängt an, in Gedanken die Pros und Kontras gegenüberzustellen. Rampini ist bislang noch kein authentischer Fall untergekommen, aber er hält es nicht für ausgeschlossen, dass Faith’ Stigmata echt sind.
Aber sie sieht auch Dinge, die bisher noch niemand gesehen hat. Rein technisch gesehen ist Gott kein Mann. Aber das heißt nicht, dass er eine Frau wäre.
Er setzt sich auf den geschlossenen Deckel der Toilette und starrt blind auf die Sammlung nackter Barbiepuppen in der leeren Badewanne. Faith White ist alles in allem ein ganz gewöhnliches, nicht religiös erzogenes Mädchen. Gebete sind nicht Mittelpunkt ihres Lebens; vermutlich könnte sie nicht ein Ave-Maria von einem Treueeid unterscheiden. Für sie spricht, dass auch anerkannte Visionäre wie die Kinder aus Fatima und die heilige Bernadette eher unwahrscheinliche Kandidaten für eine göttliche Vision waren.
Aber wenigstens waren sie Christen.
Rampini seufzt. Vater MacReady hatte Recht - es gibt vieles an Faith, was faszinierend ist. Aber letztlich gehört ihre Vision nicht dazu. Sie sagt Dinge, die schlicht aus dem Rahmen fallen.
Vater Rampini öffnet die Badezimmertür und geht zurück zu Faith’ Zimmer. Er hat sich entschieden. Aber bei jedem Schritt muss er an die Heiligen des 16. Jahrhunderts denken, die verachtet und verteufelt wurden für ihre radikalen Überzeugungen. Heilige, bei deren Autopsie Jahre nach ihrer Ermordung seltsame Narben an den Herzwänden festgestellt wurden, die aussahen wie die Buchstaben von Jesus Namen.
Malcolm Metz betrachtet den klapprigen Honda von Lacey Rodriguez, nur eine aus einer ganzen Armee herausragender Privatdetektive, die seine Kanzlei im Laufe der Jahre eingesetzt hat. Er zeigt auf eine kleine Marienstatue, die mit einem Stück doppelseitigem Klebeband am Armaturenbrett befestigt ist. »Nettes Detail.«
»Ich wusste ja nicht, ob jemand den Wagen möglicherweise bemerkt«, sagt Lacey achselzuckend.
»Nach allem, was ich gehört habe, werden Sie vielleicht eine Meile vom Haus entfernt parken müssen. Sie melden sich dann später bei mir?«
»Heute Nachmittag, sobald ich vor Ort bin. Und von da an zweimal täglich.«
Metz lehnt sich gegen die rostige Motorhaube. »Ich brauche Ihnen ja nicht erst zu sagen, wie wichtig es für uns ist, dass Sie Negatives über die Mutter ausgraben.«
Lacey zündet sich eine Zigarette an und bietet auch Metz eine an, der aber kopfschüttelnd ablehnt. »Wie schwer kann das schon sein?«, sagt sie und bläst den Rauch in die Luft. »Die Frau war immerhin in einer Irrenanstalt.«
»Unglücklicherweise ist oft der Jetzt-Zustand vor Gericht entscheidend, und das Kind lebt noch bei seiner Mutter. Ich will wissen, ob sie ihrer Tochter erlaubt, abends zu lange auf zu bleiben, ob sie ihr etwas zu essen gibt, das irgendeinen schädlichen Farbstoff enthält, oder ob sie auf ihrem Handy im Bad telefoniert, während ihre Kleine gerade in der Wanne sitzt. Ich will zum Teufel wissen, was sie den Priestern und Rabbis erzählt, die sich bei ihr die Klinke in die Hand geben.«
»Alles klar.«
»Tun Sie nur nichts, was vor Gericht nicht anerkannt würde. Verkleiden Sie sich nicht als Installateur und überprüfen irgendwelche Rohre, nur um dann mit Beweisen anzukommen, die ungültig sind, weil sie unrechtmäßig beschafft wurden.«
»So etwas habe ich nur ein einziges Mal gemacht«, entgegnet Lacey gereizt. »Wollen Sie mir das bis in alle Ewigkeit vorhalten?«
»Könnte sein.« Metz klopft ihr auf die Schulter. »An die Arbeit.« Er blickt dem Honda nach, der sich in
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