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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Grund gehen und ganz nebenbei noch Faith für sich gewinnen und sie davon überzeugen, dass sie eine Verbündete ist.
    Kurz, was sie braucht, ist ein Wunder.
     
    Als ich gerade Faith’ Schuhe in den Schrank stelle, sehe ich, dass jemand durch die Scheibe neben der Haustür Photos schießt. »Entschuldigen Sie«, sage ich, als ich die Tür aufreiße. »Würden Sie bitte von meiner Veranda verschwinden?«
    Der Mann hebt die Leica und macht ein Photo von mir. »Danke«, sagt er und hastet davon.
    »O Gott«, stöhne ich, in der offenen Tür stehend. Der Wagen meiner Mutter schiebt sich Zentimeter für Zentimeter die Zufahrt entlang. Als das Gewühl zu dicht wird, gibt sie auf, parkt auf halbem Weg. Sie ist heimgefahren, um ein paar Sachen zu holen, nachdem sie beschlossen hat, für eine Weile bei uns einzuziehen. Das ist einfacher, als die Reporter abzuschütteln, die sich ihr jedes Mal auf der kurzen Fahrt nach Hause an die Fersen heften und sie bedrängen. Der Mann mit der Leica steht schon parat, als sie aus dem Wagen steigt. Groupies rufen Faith’ Namen. Aus einem mir unerfindlichen Grund stehen heute alle dichter beim Haus, als sie es eigentlich sollten.
    Meine Mutter stolpert mit ihrem Koffer die Verandatreppe herauf und dreht sich dann um. »Gehen Sie«, ruft sie den Menschen zu und wedelt mit den Armen, um sie fortzuscheuchen. »Kschhhhh!« Dann marschiert sie an mir vorbei, schließt die Tür und verriegelt sie. »Was ist nur mit diesen Leuten los? Haben sie nichts Besseres zu tun?«
    Ich werfe einen Blick durch die Glasscheibe neben der Tür. »Wie kommt es, dass sie bis an die Veranda stehen?«
    »Ein Unfall in der Stadt. Ich bin auf dem Weg hierher daran vorbeigefahren. Ein Holztransporter hat sich auf der Highway-Ausfahrt quergelegt, sodass keine Polizei mehr die Einfahrt versperrt.«
    »Großartig«, brumme ich. »Ich schätze, dann kann ich von Glück sagen, dass sie uns nicht die Tür einrennen.«
    Meine Mutter schnaubt vernehmlich. »Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.«
    Und exakt auf dieses Stichwort hin klingelt es. Auf der Schwelle steht mit noch größerer Dreistigkeit als ich ihr ohnehin zugetraut hätte, Petra Saganoff. Sie hat einen Kameramann bei sich. Ehe ich ihr die Tür vor der Nase zuschlagen kann, schafft sie es, einen roten Pumps in den Türspalt zu schieben. »Mrs. White«, sagt sie, während der Kameramann dreht, »möchten Sie sich zu den Behauptungen Ihres Ex-Mannes äußern, denen zufolge Faith in Gefahr schwebt, solange sie hier bei Ihnen lebt?«
    Ich denke über Ians Idee nach, dieses Biest ins Haus zu lassen, denke an meine eigene widerwillige Zustimmung, und glaube zu ersticken. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, sie hereinzulassen - wenn, dann nur zu meinen Bedingungen, das hat Joan unmissverständlich klargemacht. Ich wende mich meiner Mutter zu, auf die immer Verlass ist, wenn es darum geht, jemanden auf seinen Platz zu verweisen, aber sie ist verschwunden. »Sie befinden sich unbefugt auf Privatbesitz.«
    »Mrs. White«, wiederholt Saganoff, aber noch ehe sie ausreden kann, kehrt meine Mutter zurück, und zwar mit dem antiken Gewehr aus dem Unabhängigkeitskrieg, das für gewöhnlich im Wohnzimmer über dem Kamin hängt.
    »Mariah«, sagt sie und richtet den Lauf lässig auf Petra Saganoff. »Wer ist da?«
    Es ist mir eine Genugtuung, zu sehen, wie der Kameramann erbleicht und Saganoff einen Schritt zurückweicht. »Oh«, sagt meine Mutter säuerlich. »Die ist das. Was sagtest du Ms. Saganoff gerade zum Thema unbefugtes Betreten?«
    Ich schließe die Tür und verriegle sie. »O Gott, Ma«, stöhne ich. »Warum um alles in der Welt hast du das getan? Wahrscheinlich läuft sie mit dem Band auf direktem Wege zum Richter und erzählt ihm brühwarm, dass Faith’ durchgeknallte Mutter sie mit einem Gewehr bedroht hat.«
    »Faith’ durchgeknallte Mutter hat nichts dergleichen getan, sondern ihre durchgeknallte Großmutter. Und wenn sie damit zum Richter rennt, wird er sicher von ihr wissen wollen, weshalb sie gegen die polizeiliche Anweisung verstoßen hat, die das Betreten des Grundstücks unmissverständlich verbietet.« Sie tätschelt meine Schulter. »Ich wollte der Großstadtschnepfe nur ein wenig Angst machen.«
    Ich schneide eine Grimasse. »Das ist ein Vorderlader, der schon mehrere Jahrhunderte nicht mehr abgefeuert wurde.«
    »Stimmt, aber sie ist drauf reingefallen.« Es läutet wieder. Meine Mutter sieht mich an. »Mach nicht auf.«
    Aber wer immer es

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