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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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psychiatrischen Anstalt, weil sie als suizidgefährdet galt.«
    »Ach ja, richtig. Sie erwähnten, sie hätte versucht, sich das Leben zu nehmen.«
    Colin wirft einen Blick auf Mariah. »Ja.«
    »Sie wollte sich umbringen - einfach so, aus heiterem Himmel?«
    »Nein. Sie litt damals an starken Depressionen.«
    »Ich verstehe. Gab es einen besonderen Grund für diese Depressionen?« Colin nickt knapp.
    »Entschuldigen Sie, Mr. White, aber Sie müssen für das Protokoll antworten.«
    »Ja.«
    Joan tritt an Mariahs Seite, sodass der Richter - und der gierige Haufen Aasgeier auf den Zuschauerrängen - ihre Mandantin ebenfalls ansehen muss. »Vielleicht könnten Sie uns auf die Sprünge helfen, indem Sie uns den Grund für die Depressionen Ihrer Frau nennen.« Als Colin hierauf trotzig die Lippen zusammenpresst, verschränkt Joan die Arme vor der Brust. »Ich kann Sie fragen, Mr. White, oder aber Sie erzählen es mir von sich aus.«
    »Ich hatte eine Affäre, und sie war dahintergekommen.«
    »Sie hatten vor sieben Jahren eine Affäre, die bei Ihrer Frau Depressionen auslöste. Und dann, vor vier Monaten, als Sie wieder eine Affäre hatten, fürchteten sie, sie könnte wieder in Depressionen verfallen, wenn sie davon erfuhr?«
    »Richtig.«
    »Waren diese Beziehungen zu anderen Frauen Ihre einzigen Fehler in Ihrer Ehe.«
    »Ich denke schon.«
    »Könnte man sagen, dass diese beiden Zwischenfälle - vor vier Monaten und vor sieben Jahren - die einzigen Zeitpunkte waren, zu denen Sie das Bedürfnis hatten… wie haben Sie sich noch gleich ausgedrückt? … bei einer anderen Frau Trost zu suchen?«
    »Ja.«
    »Dann klingelt es also nicht bei den Namen Cynthia Snow-Harding und Helen Xavier?«
    Mariah gräbt die Fingernägel in die Oberschenkel, als Colin alle Farbe aus dem Gesicht weicht. Joan hat sie vorgewarnt, und doch würde sie am liebsten aus dem Saal laufen - oder zum Zeugenstand, um ihm die Augen auszukratzen. Wie ist es möglich, dass Joan in so kurzer Zeit etwas herausgefunden hat, wovon Mariah selbst Jahre nichts geahnt hat?
    Weil sie es wissen wollte, denkt Mariah. Und ich wollte es nicht.
    »Stimmt es nicht, Mr. White, dass Sie auch mit Cynthia Snow-Harding und Helen Xavier eine Affäre hatten?«
    Colin blickt hilfesuchend auf Metz, dem anzusehen ist, dass er innerlich kocht. »Ich würde es nicht als Affäre bezeichnen«, antwortet er eilig. »Das waren nur flüchtige … Bekanntschaften.«
    Joan schnaubt verächtlich. »Überspringen wir das. Als Ihre Ehefrau vor sieben Jahren in schwere Depressionen verfiel, nachdem sie von Ihrer Affäre mit einer anderen Frau erfahren hatte, wurde sie in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen, haben Sie gesagt.«
    »Ja. Sie kam nach Greenhaven.«
    »Ist denn Greenhaven einfach von sich aus auf Sie zugekommen und hat angeboten, sie aufzunehmen?«
    »Nein«, entgegnet Colin. »Ich habe ihre Einweisung veranlasst.«
    »Tatsächlich?« Joan gibt sich schockiert. »Haben Sie nicht erst versucht, Mariah ambulant von einem Psychologen oder Psychiater helfen zu lassen?«
    »Für kurze Zeit, aber es schien nichts zu bringen.«
    »Haben Sie den Psychiater gebeten, Mariah medikamentös zu behandeln?«
    »Ich habe mir größere Sorgen darüber gemacht, was sie …«
    »Beantworten Sie bitte nur meine Frage. Mr. White«, schneidet Joan ihm das Wort ab.
    »Nein, ich habe den Psychiater nicht darum gebeten.«
    »Haben Sie versucht, sie in dieser schweren Zeit zu unterstützen?«
    »Ich habe sie in dieser Zeit unterstützt«, erwidert Colin gepresst. »Ich weiß, dass es leicht ist, mich wie ein Schwein aussehen zu lassen, das seine Frau hat wegsperren lassen, um in aller Ruhe seine Affäre ausleben zu können. Aber ich habe nur getan, was meiner Meinung nach für Mariah das Beste war. Ich habe meine Frau geliebt, aber sie war … sie war nicht mehr dieselbe, ein völlig anderer Mensch, und ich konnte die alte Mariah nicht zurückholen. Wenn Sie noch nie mit jemandem zusammengelebt haben, der selbstmordgefährdet ist, haben Sie ja keine Ahnung. Man macht sich Vorwürfe, dass man es nicht hat kommen sehen, man gibt sich die Schuld an dieser wirklich schlimmen Zeit, man hat panische Angst davor, der Partner könnte es noch einmal versuchen, diesmal erfolgreich. Ich konnte mir selbst kaum verzeihen, jedes Mal, wenn ich sie angesehen habe, weil ich sie irgendwie zu dem gemacht hatte, was aus ihr geworden war. Ich hätte es nicht verkraftet, wenn sie ein zweites Mal versucht hätte, sich

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