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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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für Mariahs Einweisung waren Depressionen.«
    »Dr. Johansen, wie würden Sie Mariahs mentale Verfassung heute einschätzen?«
    Der Psychiater mustert sie, als würde er Joans Gedanken lesen können. »Ich denke, sie wird immer stärker«, erklärt er feierlich. »Als Beweis hierfür braucht man sich nur vor Augen zu halten, dass sie mich von meiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden hat im Rahmen ihrer Bestrebungen, das Sorgerecht für ihre Tochter zu behalten. Und sehen Sie sich die Ereignisse im vergangenen August an: Als sie mit der gleichen Situation konfrontiert wurde, die damals bei ihr so schwere Depressionen ausgelöst hat, dass sie sich das Leben nehmen wollte, hat sie diesmal viel gelassener reagiert. Sie hat sich zusammengerissen, hat sich um ihre Tochter gekümmert und ihr Leben neu geordnet.«
    »Doktor, halten Sie es für möglich, dass diese Frau ihrer Tochter etwas antun könnte?«
    »Nein.«
    »Hat es im Rahmen ihrer Therapie über die vergangenen sieben Jahre jemals von Mariahs Seite ein Eingeständnis oder Hinweise auf die Neigung oder Absicht Mariahs gegeben, ihrer Tochter etwas anzutun?«
    »Absolut nicht.«
    »Hat Mariah mit Ihnen über die aktuellen Ereignisse um Faith gesprochen?«
    »Sie meinen die Visionen und den Medienrummel? Ja.«
    »Glaubt Mariah daran, dass ihre Tochter tatsächlich eine Visionärin ist?«
    Dr. Johansen schweigt so lange, dass Joan bereits dazu ansetzt, die Frage zu wiederholen. »Mariah glaubt, dass ihre Tochter die Wahrheit sagt«, entgegnet der Psychiater schließlich. »Was immer das heißen mag.«
     
    »Wie stellt man es an, jemanden gegen seinen Willen in eine Nervenheilanstalt einweisen zu lassen?«, fragt Metz zu Beginn seines Kreuzverhörs.
    »Hierfür ist eine richterliche Verfügung nötig«, erklärt Johansen. »Ein Psychiater begutachtet die betreffende Person, und ein Richter entscheidet aufgrund der Akten.«
    »Diese Entscheidung trifft also nicht eine Person allein.«
    »Nein.«
    »Funktioniert das System?«
    »Meistens«, entgegnet der Psychiater. »In Fällen, in d nen man dem Urteil des Betroffenen nicht trauen kann. Er blickt Metz fest in die Augen. »Aber in diesem speziellen Fall hat das System versagt. Mariah White litt schweren Depressionen, sie wurde mit viel zu vielen und zu starken Medikamenten vollgepumpt, und ihre eigene Wünsche wurden nicht berücksichtigt.«
    »Hätte der Richter die Einweisung verfügt, wenn er s’ nicht für notwendig erachtet hätte?«
    »Nein.«
    »Hätte der Psychiater die Einweisung befürwortet, wenn er sie nicht für notwendig erachtet hätte?«
    »Nein.«
    »Wenn Colin White, der Ehemann der Betroffenen, nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass die Einweisung von Mrs. White notwendig war, hätte er sie dann beantragt?«
    »Vermutlich nicht.«
    »Ich verstehe. Dann sind Sie also der Meinung, dass alle diese Personen Ihre eigenen Beobachtungen hätten zurückstellen sollen zugunsten der Wünsche einer Frau, die sich erst eine Woche zuvor die Pulsadern aufgeschnitten hatte?«
    »Das ist nicht…«
    »Ja oder nein, Doktor?«
    Der Psychiater nickt nachdrücklich. »Ja, genau das ist meine Meinung.«
    »Fahren wir fort. Was haben Sie Mariah White verschrieben nach ihrer Entlassung aus Greenhaven?«
    Dr. Johansen sieht in seinen Notizen nach. »Prozac.«
    »War das eine dauerhafte Medikation?«
    »Für eine Weile. Aber nach einem Jahr hat sie die Tabletten abgesetzt und kam auch ohne wunderbar zurecht.«
    »Sie betrachteten sie als emotional stabil?«
    »Daran bestand für mich nicht der leiseste Zweifel«, bekräftigt Johansen.
    »Hat Mariah White darum gebeten, dass Sie ihr ein neues Rezept ausstellen?«
    »Ja.«
    »Und wann war das?«
    »Vor drei Monaten«, antwortet der Psychiater. »Im August.«
    »Unmittelbar nachdem ihr Mann sie verlassen hatte? Dann war sie also emotional doch nicht so gefestigt, wie Sie angenommen hatten, richtig, Doktor?«
    Dr. Johansen strafft die Schultern. »Die Situation, die sie damals aus der Bahn geworfen hat, hat sich wiederholt, Mr. Metz. Aber diesmal hat sie, anstatt einen Selbstmordversuch zu unternehmen, ihren Psychiater angerufen und gesagt >Ich brauche Ihre Hilfe<. Jeder Psychiater in diesem Land wird das als einen eindeutigen Hinweis auf mentale Stabilität werten.«
    »Hat Prozac Nebenwirkungen?«
    »Gelegentlich.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Manchmal verursacht der Wirkstoff Fluoxetin Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Nervosität, Schlafstörungen, Schläfrigkeit,

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