Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
einer anderen Person verursacht wurden?«
    »Ich habe nichts bemerkt, was darauf hingedeutet hätte«, antwortet Blumberg vorsichtig. »Garantien kann ich sicher nicht übernehmen, aber ganz sicher handelt es sich hier nicht um einen Fall von Kindesmisshandlung. Mrs. White hat sich geweigert, ihre Tochter allein zu lassen, sie war überaus besorgt hinsichtlich der Prognosen und war sichtlich erschüttert, als ich als Diagnose Stigmata in Erwägung zog.«
    »Sind Ihnen in der Vergangenheit schon Fälle von Kindesmisshandlung untergekommen, Dr. Blumberg?«
    »Leider, ja.«
    »Hat in einem dieser Fälle ein Elternteil dem Kind vor Ihren Augen etwas getan?«
    »Nein.«
    »Schienen die Eltern in diesen Fällen besorgt hinsichtlich der Prognose?«
    »Ja«, muss der Arzt zugeben.
    »Hat in irgendeinem dieser Fälle der misshandelnde Elternteil das Kind persönlich zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht?«
    Blumberg räuspert sich. »Ja.«
    Metz wendet sich ab. »Keine weiteren Fragen.«
    Faith lehnt sich nach rechts zu Kenzie hinüber. »Kenzie«, sagt sie leise, »ich muss mal.«
    »Jetzt?«, fragt die Prozesspflegerin.
    »Ja. Dringend.« Kenzie nimmt ihre Hand und führt sie Entschuldigungen murmelnd an den Leuten in ihrer Sitzreihe vorbei. Draußen vor dem Gerichtssaal wendet sie sich nach links in Richtung der Toiletten. Sie wartet, bis Faith aus der Kabine kommt, um sich die Hände zu waschen. Dann streicht sie dem Mädchen über das Haar. »Wie fühlst du dich?«
    »Es ist so langweilig hier«, jammert Faith. »Können wir eine Cola trinken gehen?«
    »Es ist wichtig, dass wir im Saal bleiben. Es dauert nicht mehr allzu lange.«
    »Nur eine Cola. Fünf Minuten.«
    Kenzie richtet sich gerade auf. »Also gut. Fünf Minuten.« Sie geht mit Faith zum Getränkeautomaten in der Eingangshalle des Gerichtsgebäudes. Dort herrscht rege Betriebsamkeit: Zeugen warten auf ihren großen Auftritt, Anwälte telefonieren über Handy, uniformierte Beamte legen neue Fußmatten aus. Kenzie wirft fünfundsiebzig Cents ein und lässt Faith den Knopf drücken, woraufhin eine Dose polternd aus dem Schacht schießt.
    »Mmmm. Gut«, sagt Faith, nachdem sie einen Schluck getrunken hat. Sie dreht sich um die eigene Achse, um nach dem vielen Sitzen die Beine zu bewegen, und hält abrupt inne, als sie durch die Glastüren des Gerichts nach draußen sieht. Auf den Stufen und dem schneebedeckten Rasen drängen sich Hunderte von Menschen. Manche von ihnen halten Schilder mit einem Photo von Faith hoch, andere schwenken Rosenkränze. Ihre begeisterten Zurufe branden auf wie eine Tsunami, als sie sie entdecken. Vorhin hatte sie sie nicht gesehen, weil Kenzie mit ihr durch den Hintereingang gekommen war, um dem Trubel zu entgehen. »Halten Sie bitte meine Cola«, sagt Faith und drückt Kenzie die Dose in die Hand.
    »Faith, nicht…«, ruft sie, aber es ist bereits zu spät. Faith hat die Tür aufgestoßen und steht auf dem oberen Absatz der Außentreppe. Auf das Jubelgeschrei ihrer Anhänger hin hebt sie die Hände, und das Geschrei wird noch lauter. Kenzie steht da wie vom Donner gerührt. »Hallo«, sagt Faith und winkt. Sie lächelt, als ihre Gebete auf sie niedergehen, nimmt sie huldvoll entgegen wie eine Königin.
     
    »Mariah White ist seit sieben Jahren meine Patientin«, sagt Dr. Johansen. »Seit ihrer Entlassung aus Greenhaven.«
    »Wie stehen Sie zu ihrer damaligen Einweisung?«
    »Dazu hätte es nie kommen dürfen«, entgegnet der Doktor. »Es hätte eine ganze Reihe ebenso effektiver alternativer Behandlungsmöglichkeiten ihrer Depressionen gegeben.«
    »Hätte Mariah die Einweisung in irgendeiner Weise verhindern können?«
    »Nein. Ihr Mann hielt es für die beste Lösung. Und ihre Mutter lebte damals noch in Arizona und wusste nichts von dem, was hier vorging. Mariah selbst stand unter so starkem Medikamenteneinfluss, dass sie den Bezug zur Realität weitgehend verloren hatte und nicht selbst für sich eintreten konnte.«
    »Was hatten Sie für einen Eindruck von Mariah Whites Geisteszustand bei ihrer Entlassung aus Greenhaven?«
    Dr. Johansen runzelt die Stirn. »Sie war emotional noch sehr labil, aber sehr kooperativ beim Erlernen gewisser Mechanismen, die ihr helfen sollten, ihren Alltag wieder zu meistern. Außerdem war sie natürlich sehr mit ihrer Schwangerschaft beschäftigt.«
    »Hat sie irgendwelche Anzeichen einer Psychose gezeigt?«
    »Nein.«
    »Keine Sinnestäuschungen, keine Halluzinationen?«
    »Nie. Der einzige Grund

Weitere Kostenlose Bücher