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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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winden, ist einem gar nicht bewusst, dass man die Farmen und alten Häuser, in denen die Bürger von New Canaan leben, verpasst.
    Die Mitglieder des Ordens der Großen Passion belagern förmlich das Donut King. Erschöpft und gereizt nach ihrem Querfeldeinmarsch aus Sedona, scheinen sie sich mehr für die nächste Toilette zu interessieren als für einen neuen Messias - das ursprüngliche Ziel, das sie nach New Canaan geführt hat. Bruder Heywood, ihr Anführer, überquert die Main Street und blickt über die Wiesen eines eingetragenen Holsteiner-Zuchtbetriebes. New Canaan, denkt er. Das Land, in dem Milch und Honig fließen. Aber ehrlich gesagt hat er keine Ahnung, ob er seine Schäfchen an den richtigen Ort geführt hat. Der Messias könnte ebenso gut in New England, New York oder New Brunswick sein. Er fischt ein paar Runen aus seiner Tasche und wirft sie vor sich auf den Boden. Er reibt gerade einen der gravierten Steine mit dem Daumen, als eine Staub- und Dreckwolke ihm fast den Atem raubt.
    Der Winnebago, der viel zu schnell um die Ecke schießt, lässt Bruder Heywood zurücktaumeln. Er richtet sich auf, legt schützend eine Hand über die Augen und versucht, das Nummernschild zu lesen - nicht, dass er vor hätte, den Fahrer anzuschwärzen, nachdem er sich vor einigen Jahren einer Philosophie der Nicht-Intervention verschrieben hat, aber alte Gewohnheiten lassen sich eben nur schwer ablegen. Sein Blick wird bald von dem blauen Nummernschild abgelenkt und richtet sich auf den leuchtenden Feuerball auf der Hecktür des Wohnmobils.
    Bruder Heywood stopft die Runensteine wieder in die Tasche seines Gewandes und holt stattdessen aus einer anderen Tasche ein kleines Fernglas.
    IAN FLETCHER, liest er. AUF DER SUCHE NACH WAHRHEIT.
    Man musste schon hinter dem Mond leben, um den Namen Ian Fletcher nicht zu kennen. Sein Gesicht prangte auf einer Werbetafel gleich außerhalb von Sedona, und seine Sendung war allseits bekannt. In gewisser Weise hatte Heywood Parallelen zwischen sich selbst und dem Fernseh-Atheisten gezogen - er war ebenso bereit, sich gegen das System zu stellen und sich in der Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preiszugeben im Namen der Religion. Nur dass Bruder Heywoods Erwartungen das Ende betreffend sich erheblich von jenen Ian Fletchers unterschieden.
    Und doch weiß er, womit Fletcher sich seinen Lebensunterhalt verdient, und er hat auch von der Tournee des Mannes durch das ländliche Amerika gehört, mit dem Ziel, angebliche Wunder zu entmystifizieren. Er kann sich nur einen einzigen Grund vorstellen, weshalb Ian Fletcher nach New Canaan in New Hampshire kommen sollte, und das heißt, dass der Ausflug des Ordens nicht vergebens war. Nachdem er sich davon überzeugt hat, dass er unbeobachtet ist, hebt Bruder Heywood das Fernglas vor die Augen und folgt dem Winnebago auf seinem Weg zu einem weißen Farmhaus in der Ferne, vor dem das Wohnmobil zum Stehen kommt.
     
    Am Donnerstagvormittag sieht Mariah sich das Video Agnes of God an und bricht somit später als sonst zum Einkaufen auf. Als sie vor der Grundschule hält, um Faith abzuholen, ist der Kofferraum voll mit Einkaufstüten. Die Schulglocke läutet, und Mariah begibt sich wie gewöhnlich zu einem ausladenden Ahornbaum am Rand des Pausenhofes, aber Faith taucht nicht auf. Sie wartet, bis die letzten Kinder die Schule verlassen haben, und betritt dann das Sekretariat.
    Faith sitzt zusammengesunken auf dem dick gepolsterten tiefroten Sofa neben dem Schreibtisch der Schulsekretärin und weint. Ihre Leggings sind am Knie zerrissen, und aus den geflochtenen Zöpfen haben sich einzelne Strähnen gelöst, die an ihren feuchten Wangen kleben. Sie hat die Ärmel bis über die zu Fäusten geballten Hände gezogen. Sie wischt sich die laufende Nase an ihrem Oberteil ab. »Mami, erlaubst du mir, dass ich nicht mehr in die Schule gehen muss?«
    Mariah fühlt, wie ihr Herz sich zusammenzieht. »Aber du liebst doch die Schule«, sagt sie und lässt sich auf die Knie sinken, ebenso um Faith zu trösten wie um die neugierigen Blicke der Sekretärin abzublocken. »Was ist passiert?«
    »Sie machen sich über mich lustig. Sie sagen, ich wäre verrückt.«
    Verrückt. Erfüllt von selbstgerechtem Zorn legt Mariah einen Arm um ihre Tochter. »Wie kommen sie denn darauf, so etwas zu behaupten?«
    Faith zieht die Schultern hoch. »Weil sie gehört haben, wie ich mit… ihr … gesprochen habe.«
    Mariah schließt die Augen und sendet ein Stoßgebet an - an wen?, damit

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