Die Wahrheit des Alligators
›Ritter‹ jeweils Rechts- und Finanzberater. Sie haben sämtliche Skandale unbeschadet überstanden, einschließlich der großen Schmiergeldskandale Anfang der neunziger Jahre. Alles Prozesse, in denen Sartori – was für ein Zufall – dem Verteidigerkollegium angehörte. Das bedeutet Wissen, und Wissen ist Macht. In dieser Stadt ist Erpressung in bestimmten Kreisen gang und gäbe, und unser Freund ist Meister in diesem Fach. Im Lauf der Jahre hat er sich seinen Hofstaat aus Polizisten, Carabinieri, Beamten, Gerichtsschreibern, aber auch Kriminellen jeden Kalibers aufgebaut. Es wäre ein Klacks für ihn, deine und Rossinis Beseitigung anzuordnen, oder, wenn dir der Gedanke lieber ist, in eurer Wohnung oder eurem Auto ein Kilo Heroin zu plazieren und euch so für runde zwanzig Jährchen in den vaterländischen Gefängnissen einbuchten zu lassen.«
»Was rätst du mir?«
»Vor allem taucht unter, alle beide. Laßt euch nicht mehr blicken. Dann bemüht euch, die Wahrheit über den Tod der Mocellin Bianchini herauszufinden, und wenn euch das gelingt … verhandelt.«
»Verhandeln?«
»Ja, mit Sartori, er ist der Wichtigere von den beiden. Euer Schweigen gegen eine ruhige Zukunft. Ihr habt keine andere Wahl. Je mehr ihr herausfindet, desto größer die Möglichkeiten, euch da herauszuziehen.«
»Schwachpunkte?«
»Ein einziger: Sex. Bei Gericht kursiert das Gerücht, er sei schwul, weil er nicht geheiratet hat, aber das entspricht nicht der Wahrheit. In Wirklichkeit gefallen ihm die Frauen, Professionelle eingeschlossen. Augenblicklich hat er eine Affäre mit der jungen Frau eines Mandanten von ihm, der wegen eines bewaffneten Raubüberfalls in San Remo einsitzt. In der zweiten Instanz hat er ihm das Strafmaß verdoppeln lassen. aber ich rate dir, verlier deine Zeit nicht mit dieser Spur, konzentrier dich auf dieses Verbrechen.«
»Irgendeine Idee?«
»Eine, ist doch klar: Sie wollten jemand aus ihren Kreisen decken.«
Ich stand auf. »Danke für die Beratung, Max. Wieviel oder was kostet mich das?«
»Ich will sämtliche Informationen, die du zusammentragen kannst. Seit Jahren schon versuche ich diesem Klüngel auf die Schliche zu kommen: Wenn ich ebenfalls in Verhandlungen treten kann, könnte ich einen von unseren Leuten aus dem Knast holen.«
Er stand auf, die Unterredung war beendet. Er begleitete mich zur Treppe zurück, die zur Garage hinunterführte. »Unten ist Marielita, sie erwartet dich. Viel Glück.«
Während ich hinunterging, fügte er noch hinzu: »Mir sind da Verse in den Sinn gekommen, die zu deiner Situation passen.
Sie sind von Massimo Salvagnini, dem verruchten Dichter dieser Stadt:
Wie ein Bus gingst du in die Stierkampfarena Mit geballten Fäusten kamst du heraus in die Pampa. «
Ich hörte ihn noch lachen, bis der Schlag des Lieferwagens geschlossen war.
Marielita fuhr zügig und sicher. An einem bestimmten Punkt bemerkte ich, daß wir bergauf fuhren. Ich schloß daraus, daß wir in den Euganischen Hügeln sein mußten, und fragte mich nach dem Grund für diesen weiten Umweg.
Als sie mich aussteigen ließ, befand ich mich auf dem Gipfel eines Hügels, man erkannte die Lichter von Padua und der umliegenden Ortschaften. Sie kam auf mich zu, stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte mich auf den Mund.
»Das finde ich keine gute Idee, Marielita.«
»Ich schon«, antwortete sie, und leckte mir die Nasenspitze.
»Ich habe geschäftlich mit Max zu tun, er könnte was dagegen haben.«
Sie drückte mir noch einen dicken Kuß auf den Mund. »Wenn du mir jetzt damit sagen willst, du kannst nicht mit mir schlafen, weil ich die Frau von Max dem Gedächtnis bin, dann mach dich auf einen Tritt in die Eier gefaßt. Ich bin nicht sein Eigentum.«
Ich setzte mich ins Gras, holte die Zigaretten aus der Tasche. »Das wollte ich nicht sagen. Nur, daß die Situation verzwickt ist und jedes Mißverständnis das Ganze nur noch verschlimmern würde.«
»Keine Sorge, Alligator. Du brauchst nur zu entscheiden, ob du mit einer schönen südamerikanischen Frau vögeln willst oder nicht. An alles Weitere denke ich.«
»Deine Argumentation ist einleuchtend«, kommentierte ich, und streichelte ihre Haare.
Auf der Rückfahrt erlaubte sie mir, neben ihr in der Fahrerkabine zu sitzen. Unter dem Sitz holte sie einen kleinen Flachmann hervor. »Einen Schluck, Alligator?«
»Eine willkommene Aufmerksamkeit, Marielita«, dankte ich ihr und schraubte den Deckel auf. »Du und Max habt etwas
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