Die Wahrheit des Alligators

Sartori in Verbindung zu setzen. Dieser weiß nun die ganze Wahrheit über die Erpressung und über den Mord und ist im Bilde darüber, daß in der Stadt zwei üble Gestalten umgehen, die imstande sind, Personen mit Polizeimethoden zum Reden zu bringen, und im Besitz einer kompromittierenden Tonbandaufnahme sind. Der Herr Anwalt ist mit Sicherheit auf Kriegsfuß und bereit, jedes Mittel einzusetzen, um denjenigen zu zerstören, der versucht, ihn in Schwierigkeiten zu bringen. Alligator, du bist bei diesen Ermittlungen vorgegangen«, einen Moment lang schallte sein Gelächter durch den stillen Raum, »wie ein Elefant im Porzellanladen. Wie ein Stier mit gesenktem Kopf bist du losgeprescht und hast das erreicht, was Richter Geständnisse in Serie‹ nennen. Ein gutes Ergebnis, ohne Zweifel, aber gleichzeitig hast du jede Menge Spuren hinterlassen, die zu deiner Identifizierung führen können. Und zu der Rossinis.« Max redete weiter, während er im Raum auf und ab ging. Er erklärte mir, daß ich nicht erwarten dürfe, daß Sartori und Ventura nicht Zeit und Gelegenheit gefunden hätten, die Suche nach uns effizient zu organisieren. Bei so kaltblütigen und überall bestens eingeführten Typen mußte man selbstverständlich davon ausgehen, daß sie sich des Falles angenommen hatten, sobald die Leiche der Belli entdeckt und gleich danach Magagnin beschuldigt wurde.
    »Denn siehst du, Alligator, daß du die Beziehung entdeckt hast zwischen dem Unschuldigen, den sie hatten verurteilen lassen, und einer der Geschworenen, muß ihnen nicht wenig Kopfzerbrechen bereitet haben. Aus den Artikeln Galderisis haben sie entnommen, daß der Freigänger von jemandem unterstützt wird, der in jeder Hinsicht in der Lage ist, ihm zu helfen und ihn zu beschützen, und dabei so gerissen ist, daß er die Ermittler lächerlich macht, indem er in der Öffentlichkeit Zweifel an Magagnins Schuld verbreitet. Von dem Moment an war ihnen klar, wie wichtig es ist, vor der Polizei an Magagnin -sie wissen ja nicht, daß er tot ist – und an seine Komplizen heranzukommen. Da haben sie ihrerseits ihre Ermittlungen angestellt. Wenn sie es nicht schon getan haben, dann dauert es nicht mehr lange, bis sie auf Baldan und Giusy Testa stoßen und deine Spur rekonstruieren können. Sie sind dir auf den Fersen, Alligator, und wenn sie dich haben, vernichten sie dich.«
    »Aber wer ist denn dieser Sartori überhaupt? Kann der vielleicht zaubern?« scherzte ich in dem Versuch, die Spannung abzubauen, die mir den Magen schnürte.
    Max das Gedächtnis schaltete den Computer ein, gab einige Buchstaben ein und begann, Infos vorzulesen, die mir vor Augen führten, in was für arge Schwierigkeiten ich mich gebracht hatte.
    »Alvise Sartori ist 1935 in Padua geboren. In seiner Jugend zeichnet er sich durch hervorragende Leistungen auf akademischem und sportlichem Gebiet aus, erweist sich als große Verheißung im Rudersport. Nach einem Hochschulabschluß mit Summa cum laude beginnt er eine brillante Karriere als Strafrechtler. Ende der sechziger Jahre wird er der Anwalt des korrupten Padua. Ein regelrechtes Sprungbrett, das ihm die Möglichkeit gibt, seine Aktivitäten auf viele – nicht immer legale – gesellschaftliche Bereiche auszudehnen. Er übernimmt sogar die Rolle des Vermittlers bei Entführungen, just zu der Zeit, als die erste Frau von Carlo Ventura entführt wird. Die Frau kommt aus einer sehr renommierten Textilunternehmerfamilie, und ihre Eltern hatten nie einen Hehl daraus gemacht, daß sie ihren Ehemann, der von allen für einen Parvenu gehalten wurde, nicht schätzten. Sartori bietet an, die Verhandlungen zu führen. Er und Ventura verstehen sich auf Anhieb und beschließen, einen beträchtlichen Teil des Lösegelds zu unterschlagen. Von da an sind sie unzertrennlich. Sie treten den exklusivsten Clubs und Vereinigungen bei, wie den Rittern vom Orden der Heiligen Konstanze, um hier nur den wichtigsten zu nennen. Mit dem Segen und dem – ich schätze unwissentlichen – Schutz eines Teils des Klerus ist dieser Verein in Wirklichkeit Sammelbecken für alles, was faul ist in dieser Stadt. Da sind alte faschistische Haudegen, die in Gladio und sonstige braune Machenschaften verwickelt sind, oder korrupte Exponenten des politischen Lebens, der Finanzwelt, der Justiz und des Militärs; andererseits ist der Verein mit anderen Strukturen, wie Freimaurerlobbies und -logen, verbunden, sogar im Ausland. In dieser kriminellen Vereinigung wurden unsere beiden