Die Wahrheit des Alligators
müssen noch ein bißchen Geduld haben.«
»Nein. Ich lasse mich von niemandem benützen, und schon gar nicht von einem völlig Unbekannten.«
»Hören Sie, Dottor Galderisi. In den letzten Tagen habe ich keine Gelegenheit gehabt, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen. Ich stecke bis über beide Ohren in Schwierigkeiten, wegen dem, was ich entdeckt habe, Sie können sich ja gar nicht vorstellen …«
»Geschwätz.«
»Nun gut. Sie wollen Informationen? Sie sollen sie haben. Erinnern Sie sich noch an Professor Nigel Cook, an die Nachforschungen bei der Bank, die uns auf seine Spur gebracht haben?«
»Ja und?«
»Der Engländer wurde engagiert, um ein Gegengutachten zu dem hämatologischen Gutachten von Artoni aufzustellen, aufgrund dessen Magagnin verurteilt worden war. Nun, dieses Gutachten war falsch. Nachdem sie es herausgefunden hatte, begann die Belli den Gerichtsmediziner zu erpressen: Sex und Geld. Am Ende war er es leid und hat sie umgebracht. Sein Plan sah auch die Anklageerhebung gegen den Freigänger vor …«
»Was erzählen Sie denn da?« fragte er ungläubig. »… der auch an der Ermordung von Evelina Mocellin Bianchini nicht schuldig ist. Der Prozeß wurde von Rechtsanwalt Sartori und Carlo Ventura, dem untröstlichen Witwer, mit Hilfe von Artoni getürkt.«
»Sie spinnen ja wohl«, schrie er. »Überall Komplotte zu vermuten, ist zwar in Italien ein Nationalsport, aber ich bin immun dagegen, ich glaube Ihnen ganz einfach nicht.« Ich beachtete den Wutausbruch nicht. Mit ruhigen Worten versuchte ich ihn wieder zur Vernunft zu bringen. »Dottor Galderisi, Sie sind schon lange in dem Metier, rechnen Sie doch mal zwei und zwei zusammen.« Er sagte lange nichts.
»Ich glaube Ihnen nicht«, wiederholte er, aber schon weniger überzeugt.
»Ich mache Ihnen einen letzten Vorschlag. Geben Sir mir weitere Informationen. Dafür bekommen sie in maximal einer Woche die ganze Story. Der Gebrauch, den Sie davon machen, ist Ihre Sache.«
»Bevor ich annehme, sagen Sie mir erst, was Sie wissen wollen.«
»Informationen über Francesco und Selvaggia Mocellin Bianchini. Und über Marco Ventura, Sohn von Carlo. Was sie machen und wo sie sind.«
»Und dann?«
»Ob sie bei den Gerichtsverhandlungen anwesend waren. Und dann, ob es stimmt, daß Marco Ventura nach dem Verbrechen in die Santa Lucia Klinik eingeliefert wurde.« Wieder langes Schweigen.
»Wirklich ein verführerischer Köder, den Sie mir da hinwerfen: Ich rieche da eine von den Geschichten, die einen Journalisten über Nacht berühmt machen, oder seine Karriere ein für allemal versauen. Die Presse hat Sartori, Ventura und Co. immer mit Samthandschuhen angefaßt.«
»Also?« drängte ich ihn.
»Einverstanden. Rufen Sie mich morgen nachmittag an, da kann ich Ihnen schon was sagen, aber in einer Woche will ich die ganze Geschichte.«
Ich schaltete das Handy aus. Die Woche würde am Mittwoch, dem 26. Juli, um sein. Genau einen Monat nach dem Mord an Piera Belli.
Kurz vor Mitternacht wollte Benjamino noch einmal auf die Piazza Mazzini, um die Brüder Caruso zu beobachten und ihnen gegebenenfalls zu folgen. Hinter einer Reihe geparkter Autos versteckt, beobachteten wir sie, wie sie an dem üblichen Tisch im Freien saßen, ihr übliches Eis aßen und ihr Reden und Gestikulieren dabei auch nicht einen Augenblick lang unterbrachen. Bepi Baldan saß abseits hinter ihnen und schaute sich unentwegt um. Er war nicht der einzige. In geringem Abstand voneinander hielten drei Leibwächter den Platz mit professionellem Blick unter Kontrolle, sie gaben sich völlig natürlich, waren aber extrem wachsam. Trotz der Hitze trugen sie Jacketts, was hieß, daß sie schwer bewaffnet waren. Offenbar fiel ihnen in den Plänen des Brüderpaars die Aufgabe zu, uns zu beseitigen. Alfredo und Ugo sahen sich ziemlich ähnlich. Sie waren klein und korpulent und trugen bunte Hemden, die über der Brust offenstanden, so daß die unfehlbaren Goldkettchen zum Vorschein kamen, im Camorra-Milieu das Zeichen für Reichtum und Macht.
Als sie aufstanden, taten die drei Gorillas es ihnen sofort nach; einer von ihnen ging zu Baldan, packte ihn freundschaftlich beim Kragen und hob ihn aus dem Stuhl heraus. Sie verteilten sich auf zwei Wagen. Die Bosse stiegen in eine enorme, metallic-graue Volvo-Limousine, die anderen in einen Opel Omega in derselben Farbe.
Es war leicht, ihnen zu folgen. Wir hielten uns in ungefähr hundert Metern Abstand und fuhren im selben Tempo wie sie; die
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