Die Wahrheit des Alligators
hielten sich strikt an das Tempo-Limit. Da sie bewaffnet waren, wollten sie nicht das Risiko eingehen, womöglich wegen eines dummen Verstoßes gegen die Verkehrsregeln von der Polizei angehalten zu werden.
In der Gegend des Hauptfriedhofs in der Via Dini bog der Wagen der Carusos an einem bestimmten Punkt in die Einfahrt eines Mietshauses ein, der andere Wagen fuhr noch ungefähr zwanzig Kilometer weiter, bis zu einem Nachtklub an der Bundesstraße nach Rovigo.
Wir machten kehrt. Jetzt, da wir keine Autos mehr zu verfolgen brauchten, konnte ich die Motorradfahrt durch die laue Sommernacht voll genießen. Vor dem Schlafengehen hatten wir aber noch etwas zu regeln.
Wir fuhren noch einmal vor das Haus der Carusos und überprüften die Klingelknöpfe: Ugo wohnte im vierten, Alfredo im fünften Stock. Zufrieden grinste Benjamino mich an.
»Jetzt können wir schlafen gehen.«
»Willst du sie morgen auch noch beobachten?«
»Nein. Was ich heute abend gesehen habe, reicht mir.«
»Mir auch. Ich habe fünf gefährliche Typen gesehen, die keine Schwierigkeiten haben werden, uns zu Mus zu machen. Natürlich immer vorausgesetzt, daß sie uns fin den.«
»Ich habe aber ein paar Schwachpunkte in ihrem Sicherheitssystem entdeckt. Sie sind zu leichtsinnig und bewegen sich mit übertriebener Sorglosigkeit.«
»Das würde ich auch tun, wenn ich an ihrer Stelle wäre: Sie haben Sartori im Rücken und wissen, daß sie es nur mit zwei Personen zu tun haben. nein, drei, da sie ja nicht wissen, daß Magagnin tot ist und tiefgefroren wie eine Flunder.«
»Wenn sie wüßten, wer ich bin, würden sie sich mehr Sorgen machen.«
»Für so bescheiden hätte ich dich gar nicht gehalten. Komm, Clausewitz, führ deine müden Truppen heim«, sagte ich und stieg wieder aufs Motorrad.
Als ich am nächsten Morgen aufstand, war der alte Rossini schon ausgegangen. Er kam am frühen Nachmittag wieder, mit zwei Plastikköfferchen, die sahen aus wie Aktenkoffer. »Ich wette, ich weiß, was da drin ist«, sagte ich. »Hättest mir aber wenigstens Bescheid sagen können, daß du weggehst. Ich fing schon an, mir Sorgen zu machen.« Wortlos drehte er mir den Rücken zu, legte die Koffer auf den Tisch und ließ die Schlösser aufschnappen. Ich sah ihn ein paar Minuten lang herumhantieren.
»Schön, nicht?« Er drehte sich um und zeigte mir voller Stolz zwei Maschinengewehre deutschen Fabrikats, mit aufgeschraubten Schalldämpfern.
»Gefährliches Eisen. Bring es dahin zurück, wo du’s her hast.«
»Eisen?« wiederholte er empört. »Das hier«, fuhr er fort, und fuchtelte mir damit unter der Nase herum, »sind die besten überhaupt. Mel Gibson gebraucht sie in Zwei stahlharte Profis und Steven Segal in Alarmstufe Rot. «
»Beste Referenzen, wirklich«, erwiderte ich. »Ausgerechnet einen Fetischisten-Gangster mußte ich als Partner bekommen«, rief ich aus und verdrehte die Augen.
»Komm, Marco, komm her, ich zeig dir, wie man sie benutzt.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage. Du weißt, daß ich mit diesem Zeug nichts zu schaffen haben will.«
»Mensch, mit denen da gehen wir schließlich nicht zu einem Raubüberfall oder zu einem Attentat. Sie sind dazu da, unsere Haut zu retten, und wir werden sie nur benützen, wenn es unbedingt notwendig ist. Aber eins schreib dir hinter die Ohren: Du kannst mich mit dem ganzen Kram nicht allein lassen. Und zwar aus zwei Gründen. Der erste: Wenn du mir nicht hilfst, haben wir keine Chance, es zu schaffen; der zweite und viel wichtigere: Wenn man sich schon die Hände schmutzig machen muß, dann tut man das wenigstens gemeinsam.«
»Ich kenne die Regel. Im Knast seid ihr mir schon genug auf den Keks gegangen mit diesen Parolen.« Ich goß mir zu trinken ein. Benjamino spielte liebevoll mit den Gewehren und wartete auf meine Entscheidung. »Na gut«, maulte ich. »Im Grunde ist das meine Schuld, wenn du in dieser Scheiße steckst. Aber versprich mir, daß wir nur zu den Waffen greifen, wenn wir absolut sicher sind, daß kein Verhandlungsspielraum mehr da ist … und ausschließlich, um die eigene Haut zu retten.«
»Jetzt wiederholst du wie ein Papagei, was ich vor einer Minute gesagt habe. Auch ich hoffe, daß es nicht so weit kommt. Glaub bloß nicht, die Vorstellung gefällt mir, zusammen mit einem Anfänger, der einen solchen Bammel vor Waffen hat, in eine Schießerei zu geraten … jedenfalls hab ich diese Waffen ausgesucht, weil sie einfach zu handhaben sind.«
Ich rief Giovanni Galderisi an
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