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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Saint-Denis geboren und vermutlich im Waisenhaus oder bei Pflegeeltern groß geworden. Passan bemühte sich bei den zuständigen Behörden um die entsprechende Akte, bekam sie jedoch nicht ausgehändigt. Guillards Spur tauchte erst wieder auf, als der junge Mann mit siebzehn eine Ausbildung als Automechaniker im südfranzösischen Sommières begann.
    Passan verfolgte seinen Aufstieg von Werkstatt zu Werkstatt. 1997 eröffnete Guillard seine erste eigene Werkstatt in Montpellier. 1999 reiste er in die Vereinigten Staaten und reparierte Motoren in Arizona und Utah. 2001 folgte die erste Werkstatt in Saint-Denis, Alfieri. Zu diesem Zeitpunkt war Guillard dreißig Jahre alt. 2003 eröffnete er ein Unternehmen namens Fari in La Courneuve. 2007 gründete er das Autohaus Feria auf der Avenue Victor-Hugo in Aubervilliers. Im Übrigen besaß er mehrere für die offizielle technische Überprüfung zugelassene Betriebe und einige Schnellwerkstätten, wo man ohne Termin Öl und Reifen wechseln sowie Windschutzscheiben und Auspuffe einbauen lassen konnte. Sie alle befanden sich im 9–3, genauer gesagt im Westen des Departements: La Courneuve, Saint-Denis, Epinay, Saint-Ouen und Stains – also genau in der Gegend, wo die Leichen gefunden worden waren.
    Im Privatleben war Guillard ledig und hatte keine Kinder. Rechtlich war er sein Leben lang nie belangt worden. Ein unbeschriebenes Blatt. Ein Heimzögling, der es dank seiner Leidenschaft für Motoren zu etwas gebracht hatte.
    Guillard hatte Passan in seiner Zentrale in Aubervilliers empfangen und ihm das Autohaus gezeigt, dessen Werkstatt und Ausstellungsräume gleich nebenan lagen. Dreitausend Quadratmeter gestrichener Betonboden auf zwei Etagen, die nur für den Verkauf von Fahrzeugen und deren Reparatur gedacht waren. Alles war so sauber, dass man vom Boden hätte essen können. Doch Passan war alles andere als beeindruckt.
    Er spürte etwas.
    Patrick Guillard gab sich zwar jovial, wirkte aber in gewisser Weise befremdlich. Zunächst äußerlich. Mit seinen vierzig Jahren war er ein zu kurz geratener Athlet, ein kleinwüchsiges Muskelpaket. Er hatte seinen Kopf komplett rasiert, wahrscheinlich, um ein für alle Mal das Problem mit den Geheimratsecken in den Griff zu bekommen. Seine Gesichtszüge erinnerten an die einer Bulldogge. Tränensäcke, eine stumpfe Nase und dicke, trotzig wirkende Lippen, die möglicherweise auf ferne afrikanische Wurzeln hinwiesen.
    Gleichzeitig jedoch mutete der zwergenhafte Koloss auf unterschwellige Weise weiblich an. Hüpfender Gang, spitzes Lachen, zu weiche, etwas schmachtende Handbewegungen. Der Autohausbesitzer erinnerte Passan an Schauspieler im Kabuki-Theater, die Frauenrollen übernehmen – meist sehr verführerische Männer, denen es auch im wahren Leben nicht gelingt, ihre Geziertheit abzulegen.
    Natürlich kannte Guillard keines der beiden Opfer. Angeblich hatte er keinen Kontakt zur Kundschaft seiner Werkstätten. Betroffen hatte er zugehört, als Passan ihm den Leidensweg der Frauen schilderte. Dann wurde er wieder heiterer und erklärte, warum seine Firmen immer klanglich ähnliche Namen hatten. Sein Leben lang habe er sich gewünscht, einmal bei Ferrari arbeiten zu dürfen, erzählte er. »Inzwischen bin ich realistischer geworden, aber die Silben haben mir Glück gebracht.«
    Eigentlich hätte Passan Verständnis für seinen Gastgeber empfinden müssen, der ein Heimkind war wie er selbst auch. Aber hinter den wohlgesetzten Worten spürte er vages Raunen. Irgendetwas war da im Busch.
    Er hatte Guillard nicht mehr aus den Augen gelassen. Zusammen mit seinem Team hatte er eine regelrechte Treibjagd veranstaltet. Er hatte ein Überwachungsfahrzeug organisiert, das eigentlich anderweitig gebraucht wurde, und selbst die meisten Nachtwachen übernommen. Angesichts seines Privatlebens gab es dabei keine Probleme. Tagsüber bemühte er sich, das Leben des Autohändlers anhand der Akten zu analysieren, nachts beobachtete er den Mann vor Ort.
    Nie war seine Überzeugung ins Wanken geraten, obwohl nichts zusammenpasste. Für jeden Mord konnte Patrick Guillard ein solides Alibi nachweisen; außerdem passte das Profil des Mörders nicht auf ihn. Zum Beispiel vergötterte er Kinder und machte den Kleinen in den Wohnsiedlungen neben seinen Werkstätten häufig Geschenke. Unmöglich, sich ihn als Babymörder vorzustellen. Aber warum hatte er dann weder Frau noch Kind? War er vielleicht homosexuell?
    Ende April nahm Passan vier Tage Urlaub und

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