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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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reiste nach Montpellier, um sich die berufliche Vergangenheit des Geschäftsmannes näher anzusehen. Er suchte die Werkstatt auf, wo Guillard seine Lehre gemacht hatte. Alle erinnerten sich gern an den jungen Mann. Ein stets freundlicher, eifriger und sehr begabter Junge. Sein Arbeitgeber wusste zwar, dass Guillard in 9–3 aufgewachsen war, berichtete aber auch, dass er nie gern darüber gesprochen hatte. Unangenehme Erinnerungen?
    Weder Beschattung noch überraschende Hausdurchsuchungen, weder abgehörte Telefone noch das Einhacken in Guillards Computer oder die Überprüfung seiner Konten hatten etwas Brauchbares ergeben. Das Einzige, was Passan erreichte, war, dass Guillard seine Anwälte einschaltete. Passans Vorgesetzte wurden alarmiert. Man stellte ihn zur Rede. Die Klage wurde zwar abgewendet, doch Kommissar Passan durfte sich seinem Verdächtigen nicht mehr nähern.
    Am 11. Mai 2011 fand man die dritte Leiche.
    Rachida Nesaoui, vierundzwanzig Jahre alt, war in der 29. Schwangerschaftswoche. Der Mörder hatte sie entkleidet und ihr den Bauch aufgeschlitzt. Die Leiche wurde auf einem Brachgelände gleich neben der Wohnsiedlung La Forestière in Clichy-sous-Bois entdeckt, einer Gegend mit hoher Arbeitslosenquote und großen sozialen Problemen.
    Passan sah es als logische Folge an: Kaum hatte die Überwachung nachgelassen, als der Geburtshelfer wieder zuschlug. Für Passan kam dieser Umstand einem Geständnis gleich. Guillard musste der Mörder sein. Zwar war die Beweislage mehr als dürftig, doch am nächsten Morgen hatte Passan ihn gleich um sechs Uhr früh in seiner Villa in Neuilly-sur-Seine festgenommen und in Handschellen abgeführt.
    Man durchsuchte den Autohändler, nahm seine Fingerabdrücke und eine Speichelprobe. Guillard lehnte es strikt ab, sich zu entkleiden. Passan bestand nicht weiter darauf, nahm ihn aber mehrere Stunden in die Mangel. Die ganze Palette kam zum Einsatz: Gewalt, Drohungen, Beschimpfungen, dazwischen ruhige Pausen, in denen er sich freundschaftlich gab. Das Verhör endete damit, dass Guillards Anwalt sich einschaltete und seinen Mandanten im Handumdrehen frei bekam.
    In der Zwischenzeit hatte Fifi die Telefonrechnungen der Werkstätten unter die Lupe genommen. Rachida Nesaoui tauchte nirgends auf. Die junge Frau besaß nicht einmal einen Führerschein. Hatte es schon bei den beiden ersten Opfern nur eine sehr kümmerliche Verbindung zu Guillard gegeben, so fand sich hier überhaupt keine.
    Dieses Mal aber verklagte Guillard den Kriminalbeamten. Ende Mai kam es zur Verhandlung, in der festgestellt wurde, dass Passans Vorgehen illegal war. Die Aktenlage gegenüber Guillard gäbe nichts her, und Passans Verbissenheit habe keinerlei Grundlage. Wegen Amtsmissbrauchs und Gewaltanwendung wurde er zu einer Geldstrafe von 2000 Euro verurteilt. Der Richter hatte sich auf Passans bisherige Unbescholtenheit im Amt berufen und auf die von der Anklage geforderte zweijährige Bewährungsstrafe verzichtet. Auch eine Suspendierung wurde nicht ausgesprochen.
    Mit unbewegter Miene hatte Passan das Urteil angenommen. Seine Gedanken waren weit weg. Kurz zuvor hatte er erfahren, dass am dritten Leichenfundort eine unbekannte DNA gefunden worden war. Seit der Verhaftung verfügte man aber auch über den genetischen Fingerabdruck Guillards. Zwar hatte der Anwalt die sofortige Vernichtung aller Beweismittel gefordert, doch wenn er sich beeilte, konnte er noch einen Vergleich in Auftrag geben.
    Im Laufschritt hatte er den Gerichtssaal verlassen und war zum Gerichtsmedizinischen Institut Jean-Verdier in Bondy gefahren, wo die Speichelprobe zwischen eingefrorenen Proben anderer verdächtiger Personen und eingesiegelten Höschen vergewaltigter Frauen lag. Er brachte sie ins Polizeilabor und bat einen Experten, die beiden DNAs miteinander zu vergleichen. Die ganze Angelegenheit dauerte nur wenige Stunden, führte aber zu einer weiteren Enttäuschung: Die beiden Proben hatten nichts miteinander zu tun.
    Trotzdem kam bei diesem Fiasko eine neue Entdeckung zutage. Der genetische Fingerabdruck Guillards bewies eine geschlechtliche Anomalie.
    Dem Autohändler war es zwar gelungen, seine weibliche Seite weitestgehend zu verbergen und mit der Masse zu verschmelzen, doch was genau ging in seinem Kopf vor? War er ein Mann oder eine Frau? Oder beides?
    Passan konnte sich die körperlichen und seelischen Qualen nur allzu gut vorstellen, die Guillard im Waisenhaus, bei Pflegeeltern und in Lehrlingsheimen hatte

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