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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Namen gefunden: »Der Geburtshelfer« oder »Der Schlächter von 9–3«. Sie hatten die Ermittlungen live begleitet, ihre Teams am Fundort stationiert und berichteten in regelmäßigen Abständen in der Presse, im Fernsehen und im Internet. In der Folge kursierten massenhaft falsche Zeugenaussagen, und angesichts der ständigen Präsenz von Polizisten und Kameras zeigten sich die Bewohner von Francs-Moisins noch verschlossener als sonst.
    Passan stand für alle Seiten im Blickpunkt des Interesses. Seine Vorgesetzten riefen an. Ivo Calvini rief an. Der Bürgermeister von Saint-Denis rief an. Journalisten riefen an. Für keinen von ihnen hatte er eine Antwort. Lediglich eine Überzeugung verstärkte sich immer mehr bei ihm: Der Mörder musste aus dem 93. Departement stammen. Und mit ziemlicher Sicherheit hatte er ein traumatisches Erlebnis hinter sich, das möglicherweise mit seiner Geburt zu tun hatte und das er mit seinen in dieser Gegend verstreuten Leichen zu kompensieren versuchte.
    Intuition allein brachte Passan jedoch nicht weiter. Was konnte er tun? Die Archive der Entbindungskliniken des Departements durchforsten? Um was zu suchen? Eine verkorkste Entbindung? Ein missgebildetes Kind? Ein nicht angenommenes Kind? Nein, das alles war zu vage.
    Stattdessen beschäftigte er sich mit dem sozialen Umfeld von Saint-Denis. Er kannte die Gegend gut, denn er war selbst dort aufgewachsen. Seither hatte sich allerdings viel verändert. Aus den Schlafstädten waren Stätten der Gewalt geworden, wo sich eine zusammengewürfelte Stadtguerilla betätigte und wo man auf beiden Seiten mit harter Munition schoss.
    Passan hatte sich vor Ort kundig gemacht und war mit der Polizei Streife gefahren. Er hatte Hausdurchsuchungen im Sturmschritt miterlebt, die unter einem Hagel von Steinen und Molotowcocktails stattfanden. Abgefackelte Autos, vergewaltigte Frauen, die aus dem Fenster sprangen, Türdiebstähle.
    Er hatte mit Abgeordneten gesprochen, mit Betreuern und mit Experten. Mit Optimisten, die tolle Projekte planten. Mit Angstmachern, die am liebsten Drohnen, Kameras und scharfe Waffen eingesetzt hätten. Mit Radikalen, die alles abreißen und erheblich teurere Häuser bauen wollten. Frei nach dem Motto: Wenn der Preis erst steigt, krepiert das Gesindel von selbst.
    Er hatte sich mit den Verantwortlichen der örtlichen Kollektive und der ansässigen Vereine unterhalten. Dank einer diskreten Vermittlung konnte er Kontakt zu den Bossen der Gangs aufnehmen. Man hatte ihn in ausgebaute Keller eingeladen, wo die Jungs mit M16, Uzis und Handwaffen hantierten, deren Seriennummern entfernt worden waren. Inmitten von Shit-Dünsten, leeren Getränkedosen und gebrauchten Spritzen hatte Passan mit offenen Karten gespielt. Er hatte die Methode des Mörders beschrieben und über die wenigen Indizien gesprochen. Auch seine Befürchtungen hatte er den Typen mitgeteilt. Und alle hatten dem Bleichgesicht mit einem Finger am Abzug zugehört.
    Die Warlords wussten zwar ebenfalls nichts, versprachen jedoch, ihre Patrouillen zu verstärken und Keller, Dächer und Brachgelände häufiger zu kontrollieren. Auf keinen Fall wollten sie auf ihrem Gebiet einen Mörder dulden, der seine Leichen in ihrem Viertel entsorgte. Passan hatte an Fritz Langs Film M – Eine Stadt sucht einen Mörder denken müssen, in dem ein Kindermörder von der Berliner Unterwelt gestellt und abgeurteilt wird.
    Parallel dazu fand das Team bei der mühevollen Kleinarbeit im Fall Karina Bernard ein Detail heraus – ein winziges Detail. Anfang März hatte das Opfer seinen Wagen zur Reparatur in eine Autowerkstatt in Saint-Denis gebracht, die sich Fari nannte. Bei diesem Namen, oder dessen Klang, musste Passan an den Autohändler denken, bei dem Audrey Seurat ihren Golf gekauft hatte. Alfieri Automobile. Im Internet entdeckte er, dass beide Unternehmen der gleichen Gruppe angehörten, die von einem gewissen Patrick Guillard geleitet wurde.
    Zufall? Bei der Obduktion waren Spuren einer gekerbten Fessel und unbrennbarer Kautschukfasern auf der Haut des Opfers gefunden worden. Der Gerichtsmediziner hielt sie für Abdrücke eines Zahnriemens. Hinzu kam eine merkwürdige Riffelung auf der Zunge der Toten – der Mörder könnte sie mit Reifenstücken geknebelt haben.
    Passan hatte die Herkunft Guillards erforscht, allerdings nichts Besonderes gefunden bis auf die Tatsache, dass der Mann ebenso wie er selbst in Heimen aufgewachsen war. Er war als Kind unbekannter Eltern in

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