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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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mal, spinnst du?«
    »Es gibt keine Einbruchspuren. Der Hund hat nicht gebellt. Der Eindringling muss also jemand sein, den er kennt.«
    »Aber warum sollte Olive das tun?«
    »Keine Ahnung. Um uns wieder zusammenzubringen. Um uns zu zwingen, gemeinsam gegen einen imaginären Feind vorzugehen.«
    »Will er sich denn nicht mehr scheiden lassen?«
    Naoko antwortete nicht. Nie hatte Passan auch nur den geringsten Zweifel daran gelassen, dass auch er für die Trennung war. Vielleicht hatte sie gerade ihr eigenes Dilemma ausgedrückt? Sie wusste wirklich nicht mehr, was sie denken sollte.
    »Du spinnst wirklich«, schimpfte Sandrine. »Man könnte meinen, du kennst Olive überhaupt nicht.«
    Naoko ging weiter, erleichtert darüber, dass sie ihre Befürchtungen endlich einmal hatte laut aussprechen können. Und zumindest ein paar Sekunden lang glaubte sie selbst nicht mehr daran. Doch dann meldete sich der bohrende Zweifel wieder zurück.
    »Er ist ein Bulle«, ereiferte sie sich. »Alles, was er kennt, sind Gewalt und Machtspielchen.«
    »Ja und?«
    »Manchmal frage ich mich, ob er nach den vielen Jahren auf der Straße vielleicht verrückt geworden ist. Ich … ich …«
    Sie brach in Tränen aus. Die Anspannung der vergangenen Nacht brach sich endlich Bahn. Sandrine nahm sie in die Arme.
    »Hör mal, Kleine, leider muss ich dir mitteilen, dass du dabei bist, komplett überzuschnappen.«
    Naoko wand sich aus der Umarmung und trocknete ihre Tränen. Sie gingen weiter am Ufer entlang. Alles ekelte sie an: der helle Stein, das dunkle Wasser und die schräge Gangart Sandrines. Plötzlich sehnte sie sich nur noch danach, zu schlafen und zu vergessen.
    »Manchmal frage ich mich …«, murmelte sie. »Ihr wart doch zusammen, als ich ihn kennenlernte, oder?«
    »Nein. Es war längst vorbei.«
    »Wie war er denn bei dir?«
    »Es war nur ein heißer Flirt. Nichts Ernstes. Du bist die Liebe seines Lebens.«
    Naoko schüttelte den Kopf.
    »Nicht mehr. Es ist endgültig aus.«
    »Schon klar. Trotzdem müsst ihr in dieser schwierigen Lage zusammenhalten.«
    Naoko schniefte, zog ein Taschentuch hervor und lächelte. Die manchmal etwas durchgeknallte Sandrine mit ihren unkoordinierten Bewegungen besaß einen gesunden Menschenverstand, der Naoko abging. Als Japanerin hätte sie kühl und reserviert sein müssen, doch sie verfiel sofort in Panik, wenn ihr Leben einmal aus dem Ruder lief.
    Dieses Mal war sie es, die Sandrine in die Arme nahm. Der Moschusduft ihrer Freundin tröstete sie.
    »Was täte ich bloß ohne dich?«

31
    Seit zwei Stunden studierte Passan die Akte, welche die Jugendbehörde über Patrick Guillard angelegt hatte. Mittags war er ins Chris’ Belle zurückgekehrt, wo ihm Vernant die Unterlagen übergab. Nach hastigem Durchblättern war Passan im Laufschritt davongeeilt, dicht gefolgt von Vernant, der sein Versprechen bestätigt haben wollte. Alles, was er jedoch bekam, war ein Fausthieb in die Lebergegend.
    Passan hatte sich in Nanterre in seinem Büro eingeschlossen. Nachdem er die Klimaanlage so kühl wie möglich eingestellt hatte, war er in Guillards Geschichte eingetaucht.
    In der Zwischenzeit hatte Isabelle Zacchary angerufen, um ihm die Befunde der Lagerhalle in Stains durchzugeben. Nichts wies auf Guillard hin. Zwar fanden sich seine Fingerabdrücke überall, allerdings weder auf der Leiche noch auf den chirurgischen Instrumenten, die der Mörder benutzt hatte. Auch auf seiner Kleidung gab es keine biologischen Spuren des Opfers. Eine Verbindung Guillards mit der Bluttat war nicht nachweisbar. Außerdem hatte die Spurensicherung in der Lagerhalle weder eine Spritze noch Kaliumchlorid finden können. Passan sagte nichts dazu. Seiner Ansicht nach hatte der Dreckskerl alle Hilfsmittel zusammen mit dem Baby verbrannt.
    Was die angebliche Flucht eines anderen Mannes durch die Hintertür anging, so war sie nicht zu widerlegen. Tatsächlich gab es einen zweiten Ausgang, der nicht verschlossen war und nur Guillards Fingerabdrücke aufwies. Würde dieser Umstand reichen, um den Mann zu überführen? Natürlich nicht. Während er Zacchary zuhörte, dachte Passan wieder an die Nitril-Handschuhe. Sie erschienen ihm als der einzige Beweis, durch den Mörder und Opfer einander zuzuordnen waren.
    Er würde noch einmal auf die Brache zurückkehren und suchen müssen.
    Von Levy hatte er nichts gehört, erwartete jedoch auch nichts von dieser Seite. Selbst wenn neue Spuren entdeckt worden wären, würde man ihn sicher als

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