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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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tatsächlich nichts wussten, oder an alte Erzieher, die sich angeblich nicht mehr erinnern konnten. Das Gleiche galt für die Familien. Nur in einem Fall gelang es ihm, mit einer gewissen Janine Lestaix zu reden, die sich 1982 in Clichy-sous-Bois um Guillard gekümmert hatte. Die Frau drückte sich dermaßen fehlerhaft aus, dass Passan sie für nicht ganz zurechnungsfähig hielt.
    Mehrmals während des Gesprächs nannte sie ihr Pflegekind versehentlich Patricia anstatt Patrick. Als Passan sie darauf aufmerksam machte, wollte sie sofort ihren Anwalt einschalten.
    Patrick oder Patricia? Die Intersexualität des Kindes hatte sich offenbar mit der Pubertät verstärkt. Möglicherweise war Guillard irgendwann operiert worden, doch Passan wusste nur allzu gut, dass es kaum möglich sein würde, an die Krankenakte heranzukommen. Aber diese Recherche würde wohl auch noch auf ihn zukommen.
    Er rief Fifi an.
    »Immer noch im Haus?«
    »Wir packen gerade.«
    »Könntest du für eine Minute zu mir hochkommen?«
    Während er auf Fifi wartete, überlegte Passan. Als Guillard zu den Stätten seiner Kindheit zurückkehrte, hatte er da seine Akte eingesehen? Hatte er nachgeforscht und seine Eltern ausfindig gemacht?
    »Na, Alter?«
    Passan blickte auf. Fifi betrat das Büro, tat so, als müsse er husten und wedelte mit der Hand herum, als könne er vor lauter Staub nichts sehen.
    »Gibt es schon etwas Neues?«, erkundigte sich Passan.
    »Fehlanzeige.«
    Die Beweisaufnahme in der Villa hatte keine Anhaltspunkte ergeben, ebenso wenig wie die Spurensuche. Die Obduktion des Tierkadavers war noch nicht abgeschlossen.
    »Wer kümmert sich darum?«
    »Ein Tiermediziner. Ich gebe dir Adresse und Telefonnummer.«
    »Woher stammt der Affe?«
    »Wir sind dabei, sämtliche Zoohandlungen zu überprüfen. Heutzutage kannst du dir allerdings im Internet einen Orang-Utan kaufen, ohne dass ein Hahn danach kräht.«
    »Habt ihr beim Zoll nachgefragt?«
    »Die Anfrage läuft. Aber Reza macht uns ziemlichen Druck wegen der anderen Fälle.«
    Passan reichte Fifi die Fotokopien.
    »Was ist das?«
    »Auszüge aus der Akte Guillard.«
    »Welcher Akte?«
    »Die von der Jugendbehörde.«
    »Dann hat mein Plan also funktioniert?«
    »Ganz super. Ich weiß jetzt, wo Guillard überall untergebracht war. Als Einstieg solltest du vielleicht in das Krankenhaus gehen, wo er geboren ist. Vielleicht findest du ja Vater oder Mutter.«
    »Passan, wir haben im Augenblick keine Zeit …«
    Passan stand auf und griff nach seiner Jacke.
    »Das bist du mir schuldig, kapiert?«
    Fifi nickte. Passan hatte Fifi mehrfach gedeckt, wenn wieder einmal etwas schiefging – wenn er nicht rechtzeitig zum Dienst erschienen war, sich betrunken oder vollgekifft hatte. Auch bei tätlichen Beleidigungen und Fifis obskurem Drogenhandel innerhalb der Behörde, bei dem der Junge regelmäßig den aktuellen Marktpreis deutlich unterbot, hatte Passan als Puffer zwischen den Vorgesetzten und seinem Partner hergehalten.
    An der Tür wandte Passan sich noch einmal um.
    »Ruf mich an, sobald du etwas weißt.«
    »Wo gehst du hin?«
    »Ich mache eine kleine Wallfahrt.«

32
    Die Fahrt würde eine halbe Stunde dauern. Auf dem Weg zum Heim Jules-Guesde stellte er sich ein paar wichtige Fragen. Welchem Ziel diente diese neuerliche Ermittlung im Fall Guillard? Er wusste doch nicht einmal sicher, ob es wirklich der Autohändler gewesen war, der in der vergangenen Nacht sein Haus heimgesucht hatte. Ganz zu schweigen davon, dass die Informationen über Guillards Herkunft absolut nichts über seine Schuld aussagten.
    Trotzdem: Er musste etwas unternehmen. Reden. Handeln. Er konnte nicht wie ein Gefangener in seinem staubigen Büro herumhocken.
    Zunächst hatte er die Schule seiner Söhne angerufen, doch dort war alles in Ordnung. Danach hatte er mit ihrer Babysitterin Gaia telefoniert, die sie wie immer um halb fünf von der Schule abholen würde. Anschließend hatte er mit Pascal Jaffré und Jean-Marc Lestrade gesprochen, die sich bereit erklärten, ab sechs Uhr abends Passans Villa zu überwachen. Er selbst wollte ebenfalls zu dieser Zeit heimkommen, um mit seinen Jungs einen völlig normalen Abend zu verbringen. Das war der schwierigste Teil des Unternehmens.
    Passan fuhr an der Porte de Bagnolet ab und nahm die Avenue Gambetta in Richtung Rue Floréal. Die Straßen wurden enger. Ihm war, als pressten sie seine Brust zusammen. Waren das etwa Emotionen? Er hatte jetzt wirklich keine Zeit für

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